Die Spur des Blutes (German Edition)
auf der Fahrt zu Dans Haus Lily angerufen und sich vergewissert, dass ihnen nichts zugestoßen war. Er hatte den Chief of Police in Pensacola angerufen und ihn informiert, damit Lilys Familie auch dort unter Polizeischutz gestellt wurde. Er hatte zur Überwachung des Hauses der Wells und des Krankenhauses, in dem Belinda Howard lag, je eine weitere Einheit angefordert.
Jess hatte nichts getan, außer sich im Nichts zu suhlen.
Er wartete auf ihre Antwort, also gab sie ihm die einzige, die sie hatte. »Meiner Einschätzung nach könnten wir diese Stadt auf den Kopf stellen und ihn trotzdem nicht finden, wenn er nicht gefunden werden will.«
Tatsächlich war es ganz einfach. Eigentlich hatte sie schon vor Stunden draufkommen sollen, was er bezweckte. In gewisser Hinsicht hatte sie es auch gewusst, war aber nicht in der Lage gewesen, es genau zu definieren. Dazu sendete der Täter zu viele unklare Signale. Seine Kommunikation mit ihr war sporadisch. Sein Tatmuster chaotisch.
Doch jetzt verstand sie. Er hätte ihre Schwester oder ihre Nichte nehmen können, aber das hatte er nicht getan. Jess hatte spontan angenommen, er hätte Lori entführt, weil sie sein Typ war, und auch, weil er bemerkt hatte, dass sie sich anfreundeten. Er hatte ihr ja sogar letzten Samstag – oder war es Freitag gewesen? – per SMS mitgeteilt, ihm gefiele ihr neuer Umgang. Aber das war gar nicht der Grund, warum er sich Lori ausgesucht hatte.
Erst durch die Maklerin setzte sich das neue Szenario zusammen, ganz langsam, Stück für Stück. Zunächst hatte sich Jess davon irritieren lassen. Es schien ihr nur logisch, dass er sich Leute aussuchte, von denen er annahm, dass sie ihr nahestanden. Weil er vielleicht gesehen hatte, wie die Maklerin sie vor Lilys Haus umarmt hatte.
Doch Miller passte nicht in dieses Szenario. Und sich jetzt Dan zu schnappen statt Lily oder Alice, bevor sie aus seiner Reichweite gebracht worden waren, das passte ebenfalls nicht.
Weil es hier gar nicht um Jess Harris als Person ging, um Jess, die Schwester, die Tante oder die Freundin. Dieses perverse Spiel drehte sich nur um Jess, die Agentin … jetzt im Rang eines Deputy Chief.
»Sollen wir denn einfach aufgeben?«
Harper war mental und physisch erschöpft und emotional am Boden. Er brauchte Hoffnung, und die konnte sie ihm nicht geben. Er bremste an einer Ampel. Sie spürte seinen Blick auf sich, aber sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. Was er wollte, konnte sie ihm nicht geben. Und die Lösung, die sie anzubieten hatte, würde er nicht hören wollen.
Wenn sie mit ihrer Vermutung richtig lag, dann würde Harper ihr nur im Weg sein. Und er war bereits eine Zielscheibe. Gant und die anderen, mit denen sie am Spieler-Fall gearbeitet hatte, waren in Sicherheit, weil sie sich gegen sie gewandt hatten. Sie in den Medien diskreditiert hatten, und das gefiel dem Mistkerl offensichtlich. Das war es, was er wollte … warum er ihr etwas hatte anhängen wollen. Er wollte sie ruinieren, zur Strafe, weil sie ihm zu nahe gekommen war, und zweifellos auch als neue Art, sich Vergnügen zu verschaffen.
Dann war ihr Umzug nach Birmingham dazwischengekommen, hatte seiner Abschusskampagne den Wind aus den Segeln genommen. Aber wie hatte er nur vorhersehen können, dass Dan ihr hier einen Posten anbieten würde? Nicht mal sie selbst hatte das geahnt.
Jess hatte Spears etwas genommen. Ob es seine Spielwiese war oder etwas anderes, sie wusste es nicht. Sie hatte noch nicht genug Informationen, um sagen zu können, ob er seinen Doppelgänger-Komplizen selbst nach Birmingham geschickt hatte, um sie im Auge zu behalten, oder ob das Ganze mit ein Grund war, weshalb er Schadensbegrenzung betrieben hatte, indem er Special Agent Taylor umbrachte und untertauchte.
Arbeitete der Doppelgänger für ihn oder gegen ihn? Was immer nun dahintersteckte, Spears hatte mindestens noch einen weiteren Spielzug in Planung. Wenn sie richtig lag, konnte sie ihm zuvorkommen, als Erste ziehen und in seinem Finale die Zügel übernehmen … aber wenn sie falsch lag, würden Lori und Dan möglicherweise am Ende den Preis dafür bezahlen.
Hinter ihnen ertönte eine Hupe und zwang Harper, weiterzufahren.
»Ich muss vor der Besprechung mit Deputy Chief Black reden.«
Sie konnten nicht wissen, wer von beiden, Spears oder sein Protegé, Dan in seiner Gewalt hatte. Und ebenso wenig, mit welchem Zeitplan er oder sie beide arbeiteten. Oder ob sie zusammenarbeiteten … ob sie die ganze Zeit
Weitere Kostenlose Bücher