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Die Spur des Boesen

Die Spur des Boesen

Titel: Die Spur des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G.M. Ford
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gehen immer den Weg des geringsten Widerstands. Hinterher bereuen sie es. Es ist wie in der freien Natur. Nur die Starken überleben.
    13
    »Was ist denn das für ein blöder Straßenname?«, nörgelte sie.
    »Mauch Chunk Road«, las Cor so noch einmal laut vor.
    »Was, zum Teufel, ist ein Mauch Chunk?«
    Cor so lachte. »Vielleicht haben wir uns irgendwo im chinesischen Hinterland verirrt.«
    Dougherty hielt den Wagen an. Nichts als schnurgerade Leitplanken. Nach rechts bog die Perma Avenue ab. Die Girard Avenue nach links. Der weiße Lincoln Continental, der seit fünf Minuten an ihrer Stoßstange klebte, hupte zweimal, scherte aus und überholte sie, eine dunkle Abgaswolke hinter sich zurücklassend.
    Cor so deutete nach rechts. »Nimm die Perma.«
    »Ist es die, von der der Typ geredet hat?«
    »Eigentlich hat unser Freund an der Tankstelle vergessen, die Kreuzung zu erwähnen, aber er hat gesagt, der Friedhof läge oben auf dem Hügel, und die Perma führt bergauf, die Girard bergab.« Er tippte sich an die Schläfe. »Einem Francis Albert Falco entgeht nichts.«
    Sie blickte in den Rückspiegel. Drückte aufs Gaspedal. »Warum liegen Friedhöfe immer oben auf einem Hügel?«, überlegte sie. »Dann nimmt doch niemand mehr seinen Liegestuhl mit hoch, um die Aussicht genießen.«
    »Näher zu dir, meinem Gott, und dieser ganze Kram«, erklärte Corso.
    Schweigend fuhren sie die nächste Anhöhe hinauf. Die schiefergrauen Wolken über ihnen, dunkel und sinnlich wie abkühlende Lava, trieben Richtung Osten. Eine Windböe fegte die letzten übrig gebliebenen Blätter vom Boden und ließ sie in einer Spirale nach oben steigen. Als der Wagen kurz vor der Kuppe um eine scharfe Kurve bog, tauchte vor ihnen im Tal ein Flickenteppich aus Schindeldächern auf. Hier und da stachen Kirchtürme wie schmale, weiße Finger durch das Gewebe, als wollten sie den Nachhauseweg weisen.
    »Von hier oben sieht das schon besser aus«, stellte Dougherty fest, als sie um die enge Kurve bog. »In diesen alten Industriestädten wird mir immer ganz anders. Geben mir immer das Gefühl, eine Dusche zu brauchen.«
    »In Allentown wurden Eisen, Koks und Chromstahl produziert«, erklärte Corso. »Als die Kohle alle war, lief auf einmal gar nichts mehr.«
    Sie rümpfte die Nase in der sauren Luft. »Warum bleiben Menschen an solchen Orten?«
    »Weil sie hier geboren wurden. Was anderes kennen sie nicht. Und weil ihnen hier, wenn sie sich anständig benehmen und schwer arbeiten, ein Leben versprochen wurde. Ein Ort, an dem sie Kinder aufziehen, die Phillies anfeuern und vor dem Haus auf der Veranda sitzen und die Parade zum 4. Juli anschauen können.«
    Nachdem Dougherty ein paar weitere Kurven gefahren war, blickte sie Corso von der Seite an. »Stellst du dir so deinen goldenen Herbst vor, Frank? Mit einer kleinen Flagge auf der Veranda herumzuwedeln?«
    Corso prustete. »Ich doch nicht«, meinte er. »Und du genauso wenig, Schatzi. Wir gehören nicht zu dieser vorprogrammierten Gesellschaft. Wir stehen am Rand. Keiner von uns beiden wird den Elks oder Eagles oder Eastern Star einen
    Bohneneintopf bringen. Wir werden immer draußen stehen und zuschauen. Das ist unsere Rolle.«
    Er erwartete, dass sie widersprach, doch sie deutete nur über das Lenkrad hinweg. »Da, das wird 's sein.«
    Es war ein großer, altmodischer Friedhof. Vielleicht zwölf Hektar des Totenackers lagen unterhalb eines Wäldchens aus Eichen und Ahornbäumen, deren dunkle Äste sich wie knochige Finger zum Himmel erhoben. Ein mit Eis überzogener schmiedeeiserner, zwei Meter hoher Zaun wand sich um den Friedhof. Zu anderen Zeiten und an anderen Orten wäre der Zaun mehr wert gewesen als das Grundstück, das er umgab, aber in einer Eisenstadt wie Allentown — einer Stadt, in der sechzig Jahre lang der rote Strahl der Stahlkessel den Nachthimmel erleuchtet hatte — war ein ein Kilometer langer Eisenzaun nichts Besonderes. Nur eine Abtrennung zwischen dem, was einmal war... und dem, was noch lebte.
    Irgendwo brannte etwas. Irgendetwas Öliges, dessen schwarze Asche vom Himmel regnete wie an einem nebligen Morgen in der Hölle. Die Luft kratzte im Hals. Als Corso vor dem Grab auf und ab ging, spürte er, wie seine Lymphknoten am Hals anschwollen und schmerzten.
    Der Grabstein war einfach gehalten. Ein grober Granitklotz, der hier vor Ort abgebaut worden war, auf einer Seite glatt poliert. Kantige Blätter als Umrandung. »Sissy Marie Warwick«, stand darauf. »4. September 19S7

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