Die Spur des Drachen
zumindest bei einem Teil der Vorfälle Zeuge gewesen sein.«
Danielle hatte beinahe gelacht. »Er wird nicht für mich aussagen.«
»Wer ist er, Danielle?«, drängte der Anwalt. »Was war so wichtig an dem Mann, dass Sie alles riskiert haben, eine nicht autorisierte Ermittlung vornahmen?«
Danielle antwortete nicht. Sie erinnerte sich plötzlich an etwas. Sie hatte es bis jetzt vergessen; es war überlagert gewesen von der schrecklichen Realität dessen, was am Tag zuvor geschehen war.
Das Brillenetui. Der Kurier, Ranieri, hatte es auf den Tisch gelegt, unmittelbar bevor die Schießerei begann! Danielle erinnerte sich, wie sie den Tisch umgekippt hatte, um das Etui aus seiner Reichweite zu bringen …
Danielle blickte auf und blickte Shlomo Davies an. »Was wäre, wenn ich beweisen könnte, was ich in Ostjerusalem getan habe?«
Der Anwalt schien die Ohren zu spitzen. »Alles, was beweisen kann, dass Sie nicht mit dem ausdrücklichen Ziel dorthin gekommen sind, Commander Baruch zu töten, wäre äußerst hilfreich für Ihren Fall.«
Das Brillenetui war vom Tisch gefallen. Sie hatte es zur Seite geschoben, nachdem die Schießerei anfing. Danielle war sicher – genauso, wie sie sicher war, dass Ranieri davongelaufen war ohne das Etui mitzunehmen!
»Kennen Sie den Namen des Cafés in Ostjerusalem?«, fragte sie den Anwalt.
Davies blätterte ungeschickt durch seine Notizen, plötzlich verwirrt. »Ich bin sicher, dass ich es irgendwo aufgeschrieben habe …«
»Es könnte eine Brille auf dem Boden gefunden worden sein, in einem schwarzen Etui.«
»Eine Brille?«
»Bitte, fragen Sie dort nach. Aber rufen Sie nicht an. Gehen Sie persönlich hin.«
»Nach Ostjerusalem?«
»Oder schicken Sie jemanden, dem Sie vertrauen. Sagen Sie ihm, er soll behaupten, die Brille gehöre ihm … oder Ihnen … und er sei gekommen, um sie zu holen.«
Davies kniff die Augen zusammen. »Was ist so wichtig an dieser Brille?«
»Sie ist der Schlüssel, Mr. Davies. Mit der Brille kann ich beweisen, dass alles, was ich sage, der Wahrheit entspricht.«
12.
»Entspannen Sie sich«, meinte eine der Wachen in dem Versuch, Ranieri zu beruhigen. »Sie haben nichts zu befürchten. Sie sind sicher. Essen Sie etwas«, fügte der Mann hinzu. Er saß über ein üppig belegtes Tablett mit Meeresfrüchten gebeugt, auf dem unter anderem gekühlte Wellhorn- und Strandschnecken neben winzigen Crevettes grises und Hummerschwänzen geschichtet waren.
»Nein, danke«, erwiderte Ranieri unterwürfig.
Der große Mann war einer von Vieren, die in drei Schichten dafür abgestellt waren, ihn im Antwerpener Hilton zu bewachen, dem neuesten und sichersten Luxushotel der Stadt. Nach der Schießerei in Ostjerusalem war Ranieri aus Israel geflüchtet und über Athen nach Antwerpen geflogen, um dort Zuflucht zu suchen. Er hatte keine Ahnung, was am Tag zuvor schiefgegangen war; er wusste nur, dass das Treffen einen katastrophalen Ausgang gehabt hatte, der ihn zu einem gezeichneten Mann machte. Er hatte das verloren, was einzutauschen er gekommen war.
Antwerpen war seine beste Chance: Das Einzige von Wert, das Ranieri behalten hatte, waren Informationen, die für die einflussreichen Mächte, die in der Stadt ihr Hauptquartier hatten, von äußerster Wichtigkeit waren. Zumindest so wichtig, um sicherzustellen, dass er lange genug in Sicherheit und am Leben gelassen wurde, um seine Geschichte zu erzählen.
Er hatte sie früh an diesem Morgen am Grote Market getroffen, im Herzen des alten Stadtviertels. Wie befohlen, hatte er sich neben den großen Brunnen gestellt, der in der Mitte eines dreieckigen Platzes stand, der an zwei Seiten von wunderschön restaurierten Kaufmannshäusern gesäumt wurde, an der dritten Seite vom historischen Rathaus. Ranieri fühlte sich allerdings nicht wohl dabei, so eingeschlossen zu sein, besonders nicht nach dem Vorfall auf dem Souq in Ostjerusalem am Tag zuvor.
Die Männer, die er erwartete, waren pünktlich gekommen und hatten ihn geradewegs ins Hilton gebracht, wo er sich seitdem in sicherem Gewahrsam befand. Als Erstes am nächsten Morgen sollte er Bericht erstatten. Ranieri hatte die Bedingungen für seine Kooperation gut einstudiert. Er hoffte, die Kraft zu finden, sie auch durchsetzen zu können.
Ranieri zog sich in das Schlafzimmer der Suite zurück, um ein paar von den neuen Kleidungsstücken anzuziehen, die seine Wachen für ihn besorgt hatten. Beim Anblick eines Fensterputzers, der einen seltsamen Hut trug und
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