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Die Spur des Drachen

Titel: Die Spur des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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Alle redeten gleichzeitig.
    Der Colonel zog das M-16 von der Schulter und richtete es auf die Menge. Den anderen beiden Soldaten im Jeep bedeutete er, es ihm gleich zu tun.
    »Ich habe Sie gewarnt, Sir! Dieses Gebiet ist nicht sicher«, rief er Sukahamin zu.
    Der Verteidigungsminister schwieg. Er versuchte, den verzweifelten Bitten und Rufen der Dorfbewohner einen Sinn zu entnehmen.
    »Die Leute fliehen nicht vor der Revolutionären Einheitsfront, Colonel«, sagte Sukahamin schließlich.
    Der Colonel schüttelte verwirrt den Kopf. »Vor was denn dann?«
    Sukahamin wandte sich erneut den Menschen zu, versuchte, zu begreifen, was er hörte. »Vor dem Weltuntergang, Colonel. Sie sagen, sie fliehen vor dem Weltuntergang.«

24.
    »Er hat sein Büro in dem Restaurant hier drüben«, sagte Danielle zu Ben, nachdem der Bus sie in Haifa abgesetzt hatte. »Du kannst draußen warten, wenn du möchtest.«
    »Mag dein Freund Sabi keine Palästinenser?«
    »Nicht, wenn sie gleichzeitig Polizisten sind.«
    »Ich glaube, ich komme besser mit rein.«
    »Bitte sehr«, meinte Danielle. Ihr abweisender Tonfall war noch derselbe wie im Befragungsraum.
    »Tut mir Leid«, sagte Ben.
    »Was tut dir Leid?«
    »Musst du wirklich fragen?«
    Danielle blickte nicht zu ihm. »Weißt du, was das Schlimmste daran ist? Ich erinnere mich nicht. Meine erste Erinnerung ist, wie ich im Krankenhaus aufgewacht bin. Deshalb kann ich nicht herausfinden, was ich falsch gemacht habe … was ich hätte anders machen können.«
    »Erinnerst du dich, was du mir über diesen fehlgeschlagenen Anschlag in Beirut vor zwölf Jahren gesagt hast?«, fragte Ben.
    »Nein.«
    »Du sagtest, du hättest eine Kopie des Bandes noch Jahre später aufbewahrt. Und du hättest dir dieses Band wieder und wieder angesehen.«
    »Und?«
    »Um herauszufinden, was du falsch gemacht hast«, fuhr Ben fort, »was du hättest anders machen können. Das hat dir damals nicht geholfen, und es würde dir auch jetzt nicht helfen. Es ist ein Segen, dass du dich nicht erinnern kannst.«
    »Du hast mir das Leben gerettet, Ben. Daran jedenfalls kann ich mich erinnern. Ich muss unaufmerksam gewesen sein. Das wäre mir vor zehn oder zwölf Jahren nicht passiert.«
    Haifa, im Nordwesten Israels gelegen, war eine bedeutende Hafenstadt; der Hafen war strategisch günstig am Mittelmeer gelegen und wurde von großen wie von kleinen Schiffen angelaufen, von Fischerbooten bis hin zu Vergnügungsschiffen, von prächtigen Jachten bis hin zu Frachtern. Die Stadt besaß außerdem ein blühendes Geschäftszentrum; daher lagen der Klang der Schiffshörner und das Tuten einlaufender Frachter im steten Kampf mit den Geräuschen des Verkehrs, der sich Zentimeter um Zentimeter über die geschäftigen Straßen voranschob.
    Über die Jahre hinweg war die Stadt in mehreren Stufen den Hügel hinauf gewachsen. Der Bus hatte Ben und Danielle auf der untersten Stufe abgesetzt, der Hafenebene, die nur ein kurzes Stück vom Bankers Tavern Restaurant entfernt lag. Dort ging Sabi, der inoffizielle Bürgermeister von Haifa, seinen Geschäften nach. Wenige dieser Geschäfte waren legal: Sabi war so ziemlich der größte Kriminelle, den Israel zu bieten hatte.
    Als Schmuggler und israelischer Araber war Sabi einer der wenigen Menschen, die mit jedem zurechtkamen. Die Palästinenser hießen ihn wegen des nicht abreißenden Warenstroms willkommen, den er zügig in die Westbank und den Gazastreifen weiter verschob, frei von israelischen Zöllen und Steuern. Die israelischen Behörden schauten weg, selbst in diesen Zeiten der andauernden Intifada, da Sabis Kontakte in Alexandria, Port Said, der Türkei und anderswo für den Handel des Landes lebensnotwendig waren. Die National Police indessen ließ Sabi in Ruhe, weil er die fragwürdigen Elemente, die in und um Haifa kamen und gingen, wesentlich besser unter Kontrolle hielt, als sie es sich je erhoffen konnte. Sabi spielte beide Seiten gegen die Mitte aus und schien dabei nie zu verlieren.
    »Pakad Danielle Barnea!«, rief er begeistert, kaum dass Danielle den Fuß ins Restaurant gesetzt hatte. »Sind Sie es wirklich?«
    Wie immer saß Sabi in seiner Ecknische, wobei er den größten Teil einer Seite selbst besetzte. Sein unglaublicher Umfang gehörte zu seinem Mythos. Jedes Mal, wenn Danielle ihn traf, schien er dicker geworden zu sein. Er besaß ein Dreifachkinn und einen rundlichen Kopf von der Größe eines Basketballs. Die zwei Männer, die Sabi in der Nische gegenüber saßen,

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