Die Spur des Drachen
Schüssel nahm.
»Eine interessante Verschreibung bei Fehlsichtigkeit, meinst du nicht?«, fragte Danielle und öffnete die Handfläche, damit Ben den kleinen Diamanten sehen konnte, der dort lag.
26.
General Latisse Matabu führte Dr. Sowahy einen Pfad entlang, der von der Regierung vor Jahren durch die Wälder von Kono, der östlichen Region Sierra Leones, geschlagen worden war. Die tiefen schlammigen Rillen ließen erkennen, dass dieser Pfad vor kurzer Zeit von Lastwagen benutzt worden war. Soldaten der RUF standen in regelmäßigen Abständen auf Posten oder saßen in hohen Bäumen, wo sie zusätzlich neben ihren Gewehren auch mit Ferngläsern ausgerüstet waren.
»Keine Angst, man wird nicht auf Sie schießen, solange ich nicht den Befehl gebe«, beruhigte Matabu den alten Arzt. »Die Rückeroberung Konos vor zwanzig Jahren hat uns die Möglichkeit eröffnet, die Waffen zu kaufen, die wir brauchen, um die Regierungstruppen und die so genannten Militärberater aus den Vereinigten Staaten zu bekämpfen. Die Soldaten, die meinen Vater getötet haben, wurden von den USA ausgebildet und bewaffnet. Dafür werden sie sehr bald bezahlen!«
»Was ist mit den Friedensverhandlungen?«
»Ein Betrug, den sich Präsident Kabbah für uns ausgedacht hat. Ich habe alte Kinder und sämtliche Mitglieder der UN-Friedenstruppen freigelassen, die seine Regierung als Geiseln betrachtet hat. Aber was ist mit den Zugeständnissen, die uns im Austausch versprochen wurden? Nein, die Regierung verlangt viel und gibt nichts! Was wir haben wollen, müssen wir uns in Freetown selber holen.«
»Sie wollen wieder einen Krieg auf breiter Front führen«, bemerkte Dr. Sowahy.
Matabu nickte. »Der letzte Versuch der RUF, die Hauptstadt einzunehmen, ist fehlgeschlagen. Dieser Fehlschlag hat meinen Vater das Leben gekostet. Ich habe nicht die Absicht, seine Fehler zu wiederholen. Die Diamantenfelder hier und anderswo zurückzuerobern war erst der Anfang. Alles andere wird folgen.«
Matabu blieb am Ende des Pfades stehen und drehte sich zu dem alten Arzt um. »Ich habe meine Krankheit General Treest zu verdanken, Doktor. Dabei glaube ich nicht einmal, dass er Spaß daran hatte, mich zu vergewaltigen. Er wollte mich einfach nur verletzen. Doch ich habe ihm die Schmerzen, die er mir verursacht hat, hundertfach vergolten. Ich habe ihm eine Ende bereitet, wie es schlimmer nicht sein kann … genau so, wie ich den anderen Regierungsmitgliedern ein Ende bereiten werde. Sie sind nicht besser als Treest.«
Matabu teilte ein letztes Stück widerspenstiges Buschwerk, und vor ihnen erschien der Fluss, den sie zwei Jahre zuvor von den Regierungstruppen zurückerobert hatte. Bewohner der nahen Dörfer durchsiebten das schlammige Wasser mit Gittersieben unter den wachsamen Blicken der RUF-Soldaten, die am Ufer standen. Die Szenerie wirkte genauso wie an dem Tag, als sie einen Laster mit ihren Soldaten hergebracht hatte, die als Arbeiter verkleidet waren. Der Unterschied lag nur darin, wer jetzt die Kontrolle hatte.
»Willkommen in Tongo, Doktor«, sagte Matabu, an Sowahy gewandt. »Das letzte unserer Felder mit Ablagerungsdiamanten, auf dem sich der Abbau lohnt. Die Felder in Bo und Kanema sind alle trocken, und bald wird es auch hier so sein. Aber das spielt keine Rolle. Wenn es soweit ist, wird Sierra Leone uns gehören.«
27.
Der Brillant funkelte in Danielles Handfläche. Fein geschliffen und so groß wie der Nagel ihres kleinen Fingers, schien der Stein aus dem Wasser zu steigen, das ihn aus der dampfenden Schüssel begleitet hatte.
»Das war in einem der Brillengläser?«, fragte Ben, der noch immer nicht seinen Augen traute.
»Eingebettet in ein Polymer, das bei 150 Grad Celsius schmilzt, und verborgen unter getöntem Glas. Damit ist der Stein praktisch unauffindbar. Wäre Ranieri durchsucht worden, hätte man den Stein sehr wahrscheinlich nicht entdeckt.«
»Hat Levy dir das erzählt?«
Danielle schüttelte den Kopf. »Nur dass Diamanten ins Land geschmuggelt werden, um Waffen davon zu kaufen.«
»Wie hast du alles andere herausgefunden?«
»Ranieri hat zweimal dasselbe Juweliergeschäft in Tel Aviv aufgesucht – das erste Mal sofort vom Flughafen aus, das zweite Mal vorgestern Morgen auf dem Weg nach Ostjerusalem.«
»Warum zweimal?«
»Beim ersten Mal hat er etwas abgeliefert, beim zweiten Mal muss er die Brille mitgenommen haben. Wie Ranieri die Diamanten am Zoll vorbei geschmuggelt hat, weiß ich auch nicht. Ich bin ihm gefolgt,
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