Die Spur des Drachen
Ehrlichkeit vermissen. Unsere alte Beziehung besteht nicht mehr. Es wurde viel verschwendet. Wir haben alles verloren, was wir gewonnen hatten.«
»Wieder einmal.«
»Sie verstehen mich.«
»Mein Vater hätte Sie auch verstanden.«
»Er war seiner Zeit voraus, Inspector«, erwiderte al-Asi.
»Weil er den Frieden wollte.«
»Und weil er erkannt hatte, dass wir uns mit den Israelis arrangieren müssen, um diesen Frieden zu bekommen. Dass die anderen arabischen Staaten uns in dem Moment im Stich lassen, in dem es ihren Bedürfnissen und Interessen am besten dient.«
»Warum ist er dann getötet worden, Colonel?«, fragte Ben, während Danielle die beiden Männer weiterhin schweigend anschaute.
»Ich habe Ihnen gesagt, was ich weiß.«
»Ja. Dass er von meinem früheren Commander bei der palästinensischen Polizei, Omar Shaath, getötet wurde. Ich möchte aber gerne mehr erfahren.«
»Leider gibt es nicht mehr.«
»Sie haben also keine Ahnung, warum Shaath meinen Vater getötet hat. Was mein Vater nach seiner Rückkehr getan hat, das zu seiner Ermordung führte.«
Al-Asi seufzte. »Ihr Vater hat sich dafür ausgesprochen, dass die Palästinenser ihren eigenen Frieden mit den Israelis machen sollen, weil sie sonst Gefahr liefen, wesentlich mehr zu verlieren, als sie bereits verloren hatten. Er war einer der wenigen, die sich gegen gewaltsame Vergeltung ausgesprochen haben. Doch nicht einmal einem Mann von seinem Ansehen und seiner Position ist es allein gelungen, den gesamten Rat zu überzeugen.«
»Welchen Rat?«
Al-Asi schien sich unbehaglich zu fühlen. »Eine ad hoc zusammengestellte Gruppe palästinensischer Führer, die sich nach dem Sechstagekrieg gebildet hatte. Es waren alles Männer, die 1948 überlebt hatten und nicht glauben wollten, dass es noch schlimmer kommen könnte. Der Sechstagekrieg 1967 hat sie eines Besseren belehrt. Sie haben sich zusammengefunden, um darüber zu diskutieren, was man dagegen tun sollte.«
»Und mein Vater war Mitglied dieses Rates?«, murmelte Ben. Verschwommen erinnerte er sich an die Abreise seines Vaters aus Michigan um diese Zeit herum. Jafir Kamal hatte damals erklärt, eine Weile geschäftlich unterwegs zu sein; er hatte nicht gesagt, wie lange er wegbleiben würde oder wohin er ging. Ben und seine Mutter hatten ihn zum Flughafen gefahren. Ben erinnerte sich an einen Kuss und eine liebevolle Umarmung. Es war das letzte Mal gewesen, dass er seinen Vater gesehen hatte.
Al-Asi nickte. »Die Mitglieder haben Jafir Kamal ursprünglich mit offenen Armen willkommen geheißen. Sie waren in dem Glauben, er sei zurückgekehrt, um seinen Platz als Held des Volkes wieder einzunehmen und sie in den Kampf um unser Land zu führen.«
»Er hat sie enttäuscht.«
»Seine Stimme war die Stimme der Vernunft, doch seine Bemerkungen sind auf taube Ohren gestoßen.«
»Shaath war Mitglied des Rates.«
»Ja.«
Ben schluckte schwer. »Als er meinen Vater umbrachte …«
»Er könnte auf eigene Faust gehandelt haben«, erwiderte al-Asi und kam damit Bens Frage zuvor, »oder Befehlen gefolgt sein.«
»Also wurde mein Vater getötet. Dennoch hat der Rat es nicht geschafft, die gewaltsame Antwort auf die israelische Besetzung zu verhindern, wie mein Vater es wollte.«
»Seltsam, nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte Ben und war sich im selben Moment sicher, dass al-Asi weit mehr wusste, als er sagte.
31.
»Wo im Gazastreifen ist die Ware?«, fragte Ben, der hinter dem Steuer saß, und blickte Anatoljewitsch an. Colonel al-Asi hatte sie mit einer Limousine mit den seltenen diplomatischen Kennzeichen versorgt, die ihnen eine sichere Fahrt über jene Straße gewährte, die die Westbank mit dem Gazastreifen verband, sowie freie Fahrt durch den gefährlichen Eres Checkpoint.
»In den Fischereihäfen an der Mittelmeerküste«, erwiderte der Russe uninteressiert.
»Die Ware befindet sich auf einem Schiff?«, fragte Danielle verwundert.
Anatoljewitsch lächelte. »So in der Art, ja.« Er blickte zu Ben. »Interessant, dass Sie in Ihre Heimat zurückkehren, genau wie damals Ihr Vater.«
»Ich denke, es ist an der Zeit, dass Sie mir erzählen, was Sie über ihn wissen.«
»Wir haben uns einmal getroffen«, begann der Russe. »1967, als er nach dem Sechstagekrieg heimgekehrt war …«
»Ich bin für eine Abstimmung!«
Der Tumult – das Rufen und die drohend gereckten Fäuste – hatte einen Höhepunkt erreicht, als Jafir Kamal sich von seinem Stuhl an dem Tisch erhob, an dem die
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