Die Spur des Drachen
menschenleer vor ihnen. Deirdre Cotter erwartete, ängstliche Gesichter zu sehen, die hinter Türen hervorlugten oder zwischen Vorhängen hindurch spähten, die aus Sackleinen oder anderen Stofffetzen gefertigt waren.
»Das Dorf ist verlassen«, bemerkte sie, während der Jeep weiter durch die unebene Landschaft holperte, an dem verlassenen Dorf vorbei.
»Seit gestern«, bestätigte Sukahamin. »Die Leute hier hatten den Tag davor ein paar unwillkommene Gäste: die RUF.«
Cotter wurde wütend. Ihre Lippen zitterten. »Wo ziehen Sie mich hier mit hinein? Ich habe Ihnen schon gesagt, ich bin Agrarwissenschaftlerin. Die Vereinen Nationen haben mich und andere hierher geschickt, um Ihre Leute zu unterrichten, wie sie das Land besser bearbeiten können und nicht, um in den Bürgerkrieg verwickelt zu werden!«
»Sie, Miss, sind in den Krieg verwickelt, seit Ihr Mann ermordet wurde«, erwiderte Sukahamin ernst. »In Sierra Leone ist jeder darin verwickelt.«
Der Jeep hielt, und Sukahamin stieg aus, von Fahrer und Bodyguard beschattet. Sie hatten ihre Waffen umgehängt, um sie schneller greifen zu können.
»Hier entlang«, winkte der Verteidigungsminister, als Cotter schließlich aus dem Jeep stieg. Sie wischte sich die schweißnassen Hände an ihren Cargohosen ab. »Die Felder liegen in einem Tal gleich hinter der Kuppe dort.«
Schwärme von Insekten plagten sie, und Cotter schlug unablässig nach ihnen, doch vergeblich. Sie schienen immun zu sein gegen Mückenspray. Das einzige Mittel, das in diesem Teil der Erde wirkte, war eine Mischung aus Schlamm und Blättern, deren Zusammenstellung ihr ein Dorfbewohner Monate zuvor gezeigt hatte. Doch die Mixtur stank furchtbar und hinterließ einen gräulichen Film auf der Haut, den man kaum abwaschen konnte, selbst mit heißem Wasser und Seife nicht.
Sukahamin übernahm die Führung, als die Gruppe sich dem Grat näherte. Plötzlich lag ein leicht bitterer, säureartiger Geruch in der Luft, wie Deirdre Cotter ihn noch nie wahrgenommen hatte. Ihr Atem schmeckte bitter, und sie hatte das Bedürfnis, sich zu übergeben.
Schließlich aber stand sie oben am Grat neben Sukahamin und blickte wie er ins Tals hinunter.
»Der Teufel ist in mein Land gekommen, nicht wahr, Professor?«
»So sieht es aus«, erwiderte Cotter, die ihren Augen nicht traute.
40.
Ben hatte seine Pistole bereits gezogen, als Danielle rief: »Nein!« Sie trat einen Schritt näher auf Dov Levy zu, dem ehemaligen Chef des Sayaret. »Das ist General Levy, der Mann, der mir diesen Auftrag erteilt hat.«
»Ja, so inoffiziell er auch gewesen sein mag«, bestätigte Levy. »Vielen Dank, Inspector. Und Sie«, fuhr er zu Ben gewandt fort, »müssen sich mir nicht vorstellen.«
»Sie hatten vergessen, mir zu sagen, dass Sie tot sind«, bemerkte Danielle spitz.
»Erstaunlich, wie viel Bewegungsfreiheit einem der Tod verschafft«, erwiderte Levy. Er musste jetzt Mitte fünfzig sein. Sein Haar war noch immer dicht, sein Körper durchtrainiert und kräftig. »Es erlaubt mir, Dinge anzusehen, ohne dass jemand es merkt.«
»Oder es andere für Sie tun zu lassen«, fügte Danielle hinzu.
»Es ist schwierig, unter den gegebenen Umständen einen Stab zu bilden, Lieutenant.«
»Ich bin kein Lieutenant mehr.«
»So wie ich kein General mehr bin, und doch kämpfen wir noch im selben Krieg.« Levy trat aus dem Laderaum in das trübe Licht, das von den schwankenden Glühbirnen im Korridor dahinter geworfen wurde, dicht gefolgt von Ben und Danielle. Levy trug einen dunklen, schmuddeligen Bart, als hätte er sich nicht mehr rasiert, seit Danielle ihn das letzte Mal gesehen hatte. »Was ist aus den Gewehren geworden, Lieutenant?«
»Es gab keine Gewehre«, erwiderte Ben, bevor Danielle antworten konnte.
»Wie bitte?«
»Er hat Recht«, erklärte Danielle. »Dieser Frachter hatte keine Gewehre geladen. Er hat etwas viel Tödlicheres transportiert. Sag es ihm, Ben.«
Ben berichtete von den ausweichenden Kommentaren Anatoljewitschs über die verschwundene Ladung, für die er mehr als zehn Millionen Dollar in Diamanten bekommen hätte.
»Das alles ist Ihre Schuld«, maulte Levy, als Ben geendet hatte.
»Meine Schuld?«
»Wenn alles nach Plan verlaufen wäre, hätte Anatoljewitsch Lieutenant Barnea vor drei Tagen von Ostjerusalem hierher geführt.« Mürrisch wandte Levy sich an Ben. »Da Sie Anatoljewitsch verhaftet hatten, haben wir jetzt keine Ahnung, was mit der Ladung geschehen ist, oder um was es sich dabei
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