Die Spur des Drachen
wurde«, setzte Danielle den Gedanken fort.
»Nicht nur er, glauben Sie mir. Wir haben es mit einer riesigen Verschwörung zu tun, durch die viele israelische Beamte sehr reich geworden sind, Lieutenant.«
»Wollen Sie damit sagen, die wussten, was an Bord dieses Frachters war?«, warf Ben ein.
»Nein. Gewehre, Raketen, Plastiksprengstoff – je weniger sie über die Ladung wussten, desto besser.« Levy wandte seine Aufmerksamkeit wieder Danielle zu. »Commander Baruch muss geglaubt haben, dass Sie in Ostjerusalem sind, um gegen ihn zu ermitteln. Und da hat er geglaubt, ihm bliebe keine andere Wahl.«
»Sie vergessen etwas«, sagte Danielle, die sich im Geiste wieder in Ostjerusalem befand. »Palästinenser haben von allen Seiten das Feuer auf Baruch eröffnet.«
»Palästinenser, von denen niemand eine Spur finden konnte, weil es nur einen einzigen Schützen gegeben hat. Und der war kein Palästinenser.«
Danielle machte große Augen. Sie spürte, wie sie zitterte. Immer mehr Erinnerungen an die Geschehnisse auf dem Platz fluteten zurück: der verletzte Detective, das Dauerfeuer, mit dem das Café unter Beschuss genommen worden war …
»Sie haben auf die Polizisten geschossen«, sagte sie kaum hörbar, »einschließlich den Mann, den ich zu retten versucht habe.«
»Nur um sie daran zu hindern, Sie zu erschießen.«
»Kurz bevor ich Moshe Baruch getötet habe.«
»Nicht ganz«, erwiderte Levy.
»Wie meinen Sie das?«
»Nicht Sie haben Baruch getötet. Das war ich.«
»Der Bericht der Ballistiker hätte das bestätigt«, fuhr Levy fort, »wäre ein solcher Bericht angefordert worden. Deshalb wurden in der Gegend keine Spuren von palästinensischen Schützen gefunden.«
Danielle war sprachlos. Erleichterung durchströmte sie.
Sie hatte niemanden getötet an jenem Tag auf dem Platz!
»Was tun wir jetzt?«, brachte sie heraus.
»Jemanden in der Regierung suchen, dem wir anvertrauen können, was wir herausgefunden haben, Lieutenant. Es steht zu viel auf dem Spiel, als dass wir einem Skandal aus dem Weg gehen könnten. Lassen Sie uns die Wahrheit ans Licht bringen!« Levy überlegte kurz. »Bleiben Sie heute Nacht in Gaza. Wir treffen uns morgen früh am Fischmarkt.«
»Wie finden wir Sie?«, fragte Danielle.
»Kommen Sie einfach«, erwiderte Levy, an beide gewandt. »Ich finde Sie.«
42.
Bürgermeister Krilew und Oberst Petroskow bahnten sich einen Weg durch die Flure einer umfunktionierten Entbindungsklinik im Zentrum von Dubna. Sie schoben sich an Toten und Sterbenden vorbei.
»Sie hatten mir mehr medizinisches Personal versprochen«, beklagte sich Krilew. Er merkte, dass Petroskow ihn nicht verstehen konnte, und riss sich den Mundschutz ab. »Ich sagte, Sie hatten mir mehr medizinisches Personal versprochen«, wiederholte er und nahm seinen ganzen Mut zusammen, nachdem er zwei Tage lang das anmaßende Gehabe des Obersten und seine barschen Befehle ertragen hatte. »Sie hatten mir Experten versprochen! Impfstoffe! Hilfe!«
Petroskow unterbrach seine stumme Zählung der Leichen, die er gerade durchführte. »Nichts von alledem hätte irgendetwas bewirkt.«
»Ihre Soldaten haben aus meinem Volk Gefangene in ihren eigenen vier Wänden gemacht.«
»Das ist zu ihrem Besten.«
»Warum wurde ich nicht wegen der Ausgangssperre gefragt?«
Petroskow blieb stehen und drehte sich abrupt zum Bürgermeister um. »Sie haben hier nicht mehr das Sagen, Krilew«, stieß er ungeduldig hervor. »Ich dachte, das hätte ich Ihnen unmissverständlich klar gemacht. Hier wurde das Kriegsrecht ausgerufen.«
»Von Ihnen?«
»Von Kräften, an die weder Sie noch ich jemals heranreichen können.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Moskau weiß, was hier vor sich geht?«
»Moskau weiß alles, glauben Sie mir.«
»Dennoch tut man dort nichts!«
»Man hat mich geschickt.«
»Und die Bürger meiner Stadt sterben weiter. Tausende sind es jetzt schon, und es werden mit Sicherheit noch viele folgen.«
»Das Schlimmste ist vorüber.«
»Ich bin immer noch Dubnas höchster Beamter, Oberst. Ich habe Verantwortung gegenüber den Einwohnern.«
»Sie haben Verantwortung gegenüber Moskau, Bürgermeister, so wie ich.«
Krilew und Petroskow drückten sich an eine Wand, während eine Flut von Pflegern Tragen an ihnen vorbeirollten, auf denen mit Laken zugedeckte Leichen lagen. Die Reihe zog sich den Flur hinunter, so weit das Auge reichte.
»Sie sagten, Sie würden mich in einer bestimmten Sache aufsuchen, Oberst.«
»Ja.
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