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Die Spur des Drachen

Titel: Die Spur des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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sah, wie er stürzte, als plötzlich ein Schuss aus dem Innern des Treppenhauses kam. Der Lärm war ohrenbetäubend. Danielle hechtete zu Boden und glitt über das Deck, feuerte dabei in die Dunkelheit. Sie hörte einen grunzenden Laut und dann das Poltern eines Körpers, der eine Treppe hinunterfiel.
    »Ben!«, rief Danielle. »Ben!«
    »Mir geht es gut! Was ist mit …«
    Bens Stimme erstarb, als er über das Deck blickte und Anatoljewitsch auf dem Rücken liegen sah. Eine Blutlache breitete sich unter ihm aus. Seine Brust war zerfetzt; offenbar hatte ihn ein Schuss aus einer Schrotflinte getroffen. Das erklärte auch die Lautstärke des Schusses, der noch immer in Bens Ohren nachhallte.
    Danielle sprang auf und drehte sich blitzschnell in die Tür hinein, die Waffe die schmale Treppe hinunter gerichtet. Die Leiche des Mannes, den sie getroffen hatte, lag am Treppenabsatz. Er war tot; seine Augen blickten starr in Leere. Der Lauf einer Schrotflinte lugte unter seinem Körper hervor.
    »Ein Besatzungsmitglied?«
    »Jedenfalls ist er so gekleidet.«
    »Es könnten noch mehr da unten sein.«
    Danielle streckte die Hand aus, um Ben auf die Füße zu helfen. »Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.«

37.
    General Latisse Matabu träumte von einem Schiff. Einem großen Schiff, das ihre letzte Hoffnung in seinen Laderäumen mit sich trug. Doch dieses Schiff gehörte ihr nicht. Fremde liefen an Deck umher und bedrohten das letzte Geschenk, das sie, Latisse Matabu, der Welt hinterlassen wollte.
    Seltsam, wie die Geschenke, mit denen sie gesegnet war, ihr nicht helfen konnten, sich selbst zu heilen. Die gewaltigen Kräfte, die sie vom Drachen geerbt hatte, waren machtlos gegen die Krankheit, die ihren Körper verwüstete. Auch die Rache, die sie nach ihrer Rückkehr nach Sierra Leone an General Treest geübt hatte, konnte nichts daran ändern. Latisse Matabu wusste das alles – genau wie Dr. Sowahy. Sie konnte sich nichts mehr vormachen. Sie musste akzeptieren, doch nicht einzigartig zu sein, sondern so wie jeder andere.
    Der Arzt war an diesem Tag wieder zu ihr gekommen. Er sah ernst aus, nachdem er seine Untersuchungen beendet hatte.
    »Was ist?«, fragte sie.
    Dr. Sowahy kam um den Schreibtisch herum und sah Latisse Matabu, die in ihrem Stuhl saß, ins Gesicht. »Ich habe Geschichten gehört über Ihre Fahrt nach Katani vor zwei Tagen, General.« Er kniff die Augen zusammen und schüttelte langsam den Kopf. »Was haben Sie getan?« Dr. Sowahy gab sich gar nicht erst die Mühe, seine Abscheu zu verbergen.
    »Ich habe getan, was einer meine Vorfahren lange vor mir bereits getan hat. Mein Großmutter hat mir oft eine Geschichte von einer meiner Ahnen erzählt, die sie die Moorfrau nannten. Die Geschichte beginnt 1347 in Anatolien, in der heutigen Türkei …«
    Orhan, Sohn Osmans des Ersten, Begründer des Osmanischen Reiches, erreichte den Hügelkamm und blieb stehen. Durch den wirbelnden Nebel, der sich aus dem Nichts gebildet hatte, starrte er hinunter ins Tal. Dort erschienen aus grauen Schwaden, die über den Boden krochen, die Ruinen einer uralten Festung.
    Der größte Teil der Mauern war schon lange zerfallen; es gab nur noch einen einzigen Eingang in die Festung, der durch einen Bogengang führte. Die Farbe der Mauern musste einst die von poliertem weißem Granit gewesen sein. Die Jahre hatte ihre Überreste rötlich gefärbt, mit einem Stich ins Braune. Stellenweise war der Stein geschwärzt, dort, wo das Sonnenlicht ihn nicht mehr erreichte. Die drei Türme waren mit der Zeit in unterschiedlicher Höhe eingestürzt. Das Kuppeldach wies Risse auf, war ansonsten aber unversehrt. Die Zinnen, auf der einst die Wachen der Festung patrouillierten, waren nur noch Schutthaufen.
    Orhan befahl seinen Truppen, die Stellung zu halten und machte sich auf den Weg hinunter ins Tal, wobei er seinen Weg sorgfältig wählte. Der Pfad schien schmaler zu werden. Nur der Boden unmittelbar vor ihm war zu erkennen, alles andere wurde vom Nebel verschluckt, je weiter er hinunter gelangte. Tote, blattlose Äste stachen wie Hände aus dem geisterhaften Grau.
    Schließlich tauchte die Ruine der Festung direkt vor ihm auf. Orhan blieb neben dem Schutt eines Bogenganges stehen und spähte in die Dunkelheit, bevor er hindurchschritt.
    »Komm herein«, rief eine alte, brüchige Stimme aus dem Innern. »Ich habe auf dich gewartet.«
    Orhan ging weiter, bis die Gestalt einer alten Frau unmittelbar vor ihm erschien. Ehrfurchtsvoll sank er

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