Die Spur des Drachen
schob dann die Tür auf. Danielle schloss sich ihm an.
Im Innern des Laderaumes lagen die Leichen der fehlenden Besatzungsmitglieder der Peter der Große nebeneinander. Ein Dutzend mindestens.
»Mein Gott«, murmelte Danielle und schlüpfte an Ben vorbei.
»Erschossen?«
»Ja«, erwiderte Danielle. Um dies festzustellen, reichte eine oberflächliche Untersuchung. »Alle zur gleichen Zeit, wie es aussieht.«
»Wann?«
Danielle fand eine Stelle mit getrocknetem Blut und überlegte kurz. »Irgendwann letzte Nacht.«
»Sie wurden umgebracht und dann hierher geschleppt, um sie zu verstecken«, vermutete Ben.
»Nein«, erwiderte Danielle, die sich die Blutspritzer ansah. »Die meisten sind zuerst hierher gebracht und dann getötet worden. Daran, wie die Körper gefallen sind, kann man erkennen, dass man sie in einer Reihe aufgestellt hatte.«
»Ein Massaker«, meinte Ben und folgte Danielle aus dem Laderaum.
Noch angespannter als zuvor schloss er die Tür hinter ihnen. Sie gingen weiter zum nächsten Laderaum. Die Luft wurde kalt, als sie sich näherten, beinahe frostig. Der letzte Laderaum war offensichtlich ein Kühlraum.
Diesmal trat Danielle zuerst ein, die Waffe schussbereit.
Der Laderaum war leer.
Danielle senkte die Pistole. Sie zitterte in der frostigen Luft; vor ihrem Gesicht bildete sich Nebel.
»Sieh dir das an«, sagte Ben, der in der Mitte des Laderaums am Boden hockte. Danielle ging zu ihm.
»Hier war irgendetwas.« Ben deutete auf den Boden. »Jedenfalls dem Staubmuster nach zu urteilen.«
Danielle leuchtete mit einer Taschenlampe, die sie vom Fischkutter mitgenommen hatte, und suchte nach Hinweisen, was im Laderaum gewesen sein könnte. »Kisten«, sagte sie schließlich. »Ungefähr ein mal zwei Meter.«
»Offensichtlich wurden sie gestohlen. Aber von wem?«
»Gute Frage«, sagte eine vertraute Stimme von der Tür her, die in den Laderaum führte.
Danielle wirbelte herum und stand General Dov Levy von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
39.
Professor Deirdre Cotter hielt ihren Hut auf dem Kopf fest, als der Jeep über die schmale Straße raste, die durch den Dschungel geschlagen war.
»Sie haben mir noch immer nicht gesagt, wohin wir fahren«, sagte sie zu dem Minister aus Sierra Leone, der neben ihr auf dem Rücksitz des Jeeps saß.
»Ins Dorf Katani, Doktor«, erwiderte Daniel Sukahamin.
»Es heißt ›Professor‹, nicht ›Doktor‹.«
»Was immer Sie sagen, Miss.«
»Gut. Dann erklären Sie mir, warum Sie mich dorthin fahren.«
»Weil Sie gebraucht werden, Miss.«
»Sie sind Verteidigungsminister von Sierra Leone. Ich bin Agrarwissenschaftlerin und arbeite im Auftrag der Vereinten Nationen.«
»Wir wissen sehr genau, was Sie tun, Miss«, versicherte Sukahamin.
»Wozu brauchen Sie mich dann?«
»Sind Sie die Deirdre Cotter, die vor drei Jahren mit ihrem Ehemann ins Land gekommen ist?«
»Müssen Sie das wirklich fragen?«
»Zwei Jahre nach Ihrer Ankunft wurde Ihr Mann von den Rebellen der RUF als Geisel genommen und getötet.«
»Ja …«
»Und doch sind Sie geblieben. Sie sind über die Zeit hinaus geblieben, die man von Ihnen erwartet hatte. Warum?«
Deirdre Cotter schluckte schwer. »Weil ich dachte, ich könnte etwas bewirken. Ich wollte etwas bewirken.«
Sukahamin blieb gelassen. »Sie werden Ihre Chance bekommen, Professor.«
»Was wissen Sie über die Dörfer in dieser Gegend?«, fragte der Verteidigungsminister von Sierra Leone, während die Straße schmaler wurde und der Jeep sich dem Ort Katani näherte.
»Hier gibt es Fischerei und Landwirtschaft. Die Dörfer sind im Wesentlichen autark.«
»Bis gestern, Professor.«
Der Jeep verlangsamte seine Fahrt, als die ersten Hinweise an den Rändern der unbefestigten Straße erschienen, an einen Baum genagelt. Bisher hatten sich noch keine Menschenseele gezeigt, obwohl der Jeep bereits den Fluss passiert hatte, aus dem die Dorfbewohner ihr Wasser holten. Normalerweise gab es hier einen ständigen Strom von Menschen, die Fässer und Behälter hin und her schleppten. Deirdre Cotter wurde noch argwöhnischer, als sie ohnehin schon war.
Der Jeep fuhr ins Dorf, das aus wenig mehr als einer Ansammlung baufälliger Gebäude bestand. Manche der größeren, besser gepflegten Häuser besaßen Fenster und gewölbte Dächer, während andere kaum als Hütten bezeichnet werden konnten, die aus festgestampftem, getrocknetem Lehm bestanden. Diese Hütten bildeten einen Halbkreis um die Dorfmitte.
Die Dorfmitte lag
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