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Die Spur des Drachen

Titel: Die Spur des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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wäre ein Leichtes gewesen, Danielle die Schuld zu geben – oder dem politischen Klima, das den Verkehr zwischen Israel und der Westbank beinahe lahm gelegt und den Kontakt zwischen Israelis und Palästinensern praktisch verboten hatte. Selbst Colonel al-Asi hatte Ben davor gewarnt, Kontakt aufzunehmen, um nicht das Risiko einzugehen, als Kollaborateur abgestempelt zu werden; dies hätte die Todesstrafe nach sich ziehen können, der Dutzende von Palästinensern zurzeit entgegensahen.
    Doch nichts von alledem hätte Ben etwas ausgemacht; zumindest wäre es ein Jahr zuvor noch so gewesen. Doch als er Danielle im Rollstuhl aus dem Krankenhaus in New York gefahren hatte, hatte sich alles geändert. Die Kluft, die stets zwischen ihnen bestanden hatte, wurde plötzlich nicht mehr von einer Brücke überspannt. Statt nach Entschuldigungen zu suchen, zusammen sein zu können, wurde es für beide leichter, nach einem Vorwand zu suchen, getrennt zu bleiben.
    Oft war es ihnen gelungen, einen neuen Anfang zu machen. Jetzt aber, seit dem Verlust ihres ungeborenen Kindes, hatte sich alles geändert. Sie hatten sich nicht mehr viel zu sagen, weil das Wesen ihrer Beziehung sich verändert hatte – bis Colonel al-Asi Ben von Danielles Verhaftung berichtet hatte.
    Seltsam, wie es in dem Moment keinen Sekundenbruchteil des Zögerns gegeben hatte, zu handeln. Danielle hatte ihn gebraucht, und er war für sie da gewesen.
    Bei diesem Gedanken überkam Ben tiefe Trauer.
    Auch seine Frau hatte ihn damals gebraucht, und nun war sie tot. Seine Kinder hatten ihn gebraucht, und auch sie waren tot. Augenblicke früher, und Bens Familie wäre noch am Leben. Augenblicke später, und Ben wäre ebenfalls tot. Augenblicke hatten ihn schließlich zurückgebracht nach Palästina, hatten ihn zu Danielle geführt und ihm flüchtige Blicke auf ein Glück ermöglicht, von dem er vergessen hatte, dass es tatsächlich existierte …
    »Ausweise«, fuhr Danielle nun fort, »und einen neuen Pass, damit du hier weg kannst, bevor es zu spät ist.«
    »Wirst du mit mir kommen?«
    »Ich kann nicht.«
    »Dann kann ich es auch nicht.«
    »Es wird nicht klappen mit uns beiden«, sagte Danielle. »Das sollten wir inzwischen begriffen haben.«
    »Vielleicht haben wir uns nicht genug Mühe gegeben.«
    »Du machst dir selbst etwas vor, Ben. Keiner von uns beiden hat einen anderen Menschen – und das ist das Schlimmste, worauf man eine Beziehung aufbauen kann. Wir bleiben nur zusammen, wenn uns keine Wahl bleibt. Deshalb hat es bisher nie mit uns geklappt.«
    »Wenn das Baby nicht gestorben wäre …«
    »Ist es aber.«
    »Wir dürfen es nicht darauf beruhen lassen.«
    »Wir haben keine Wahl, Ben, und das wissen wir beide.«
    »Ich werde nicht aufgeben«, beharrte er. »Ich habe es satt, aufzugeben. Ich bin es leid, dich an Dinge zu verlieren, die wichtiger zu sein scheinen als unsere Beziehung.«
    »Solche Dinge wird es immer geben.«
    »Nach dieser Geschichte hier nicht mehr«, sagte Ben.
    Seit Jahrzehnten gehörte der Fischmarkt zu den Hauptattraktionen in Gaza. Erst seit kurzem gab es weniger Käufer, weniger Händler, weniger Umsatz. Die desolate Wirtschaftslage Palästinas – in Verbindung mit den Reisebeschränkungen nach Israel – hatte die Nachfrage stark verringert; außerdem hatte eine große Zahl Fischer anstelle der Netze Gewehre in die Hand genommen.
    Dennoch bewegte sich eine ansehnliche Zahl von Kunden zwischen den Reihen der auf Eis liegenden Fische, die erst Stunden zuvor aus dem Meer gefischt worden waren.
    »Ich sehe Levy nicht«, sagte Ben. Nervös suchte er mit Blicken den Markt ab.
    »Er hat gesagt, er würde uns finden«, erinnerte ihn Danielle. »Gehen wir einfach weiter.«
    Plötzlich raste ein israelischer Jeep durch die Fußgängerzone. Hupend schoss er genau auf Ben und Danielle zu, die zur Seite sprangen und sich nur noch eilig wegdrehen konnten, in der Hoffnung, nicht erkannt zu werden.
    Doch der Patrouillenjeep jagte an ihnen vorbei.
    »Meinst du, sie suchen uns?«, fragte Ben.
    »Nein«, erwiderte Danielle nachdenklich. »Das war eine spezielle Einheit der Militärpolizei. Es muss etwas anderes gewesen sein.«
    Der Jeep war kurz vor den Docks stehen geblieben, an einem riesigen Eistablett neben einer großen Waage, auf der die Fischer von Gaza ihren Fang wogen. Danielle befreite sich aus Bens Griff, als er versuchte, sie zurückzuhalten, und bewegte sich vorsichtig in Richtung Jeep.
    Die drei Militärpolizisten standen über

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