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Die Spur des Drachen

Titel: Die Spur des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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worden.
    »Angeschossen, ja«, erklärte Oberst Petroskow. »Getötet, nein.«
    »Sie sagten, er hätte die Waffe gehalten und sei bereit gewesen, noch einmal zu schießen.«
    »Vielleicht hat er es getan. Ich bin nicht sicher. Ich weiß nur, dass ich jemanden hinter Shaath habe auftauchen sehen, der ihn einen Ast oder einen Scheit auf den Kopf schlug. Shaath ging in die Knie, und die Gestalt schlug ihn wieder, und noch einmal. Shaath brach zusammen.«
    »Haben Sie gesehen, wer es war?«, fragte Ben aufgeregt.
    »Er … oder sie war klein …«
    »Ein Junge?«
    »Ich bin ziemlich sicher.«
    »Der auf dem Foto zusammen mit meinem Vater war?«
    »Ich war zu weit weg, und es war zu dunkel. Ich konnte mir nicht sicher sein.«
    Ben hatte das Gefühl, als hätte er Watte im Mund. »Und mein Vater?«
    Er konnte sehen, wie Petroskow mit den massigen Schultern zuckte. »Ich muss bewusstlos geworden sein. Als ich aufwachte, waren Ihr Vater und der Junge verschwunden. Wohin?« Er verstummte mit einem erneuten Schulterzucken. »Damit steht es eins zu eins. Er hat mich gerettet, und jetzt habe ich Sie gerettet. Ich werde Sie zu einem Militärflughafen bringen. Dort wartet ein Flugzeug auf Sie und fliegt Sie zurück in Ihr Land. Meine Schuld ist beglichen.«
    »Noch nicht. Erst wenn Sie mir von Dubna erzählt haben.«
    »Sie wissen schon alles.«
    »Schließt das Ihre Zusammenarbeit mit Anatoljewitsch ein?«
    »Warum glauben Sie …«
    »Weil Sie für die Sicherheit dieses Sektors verantwortlich sind. Weil Belush mir in der Lagerhalle erzählt hat, es seien Soldaten gewesen, die alle drei Lieferungen Schwarzer Tod abtransportiert hätten.«
    Petroskow machte sich gar nicht die Mühe, dies abzustreiten. »Ohne Sold müssen wir russischen Soldaten uns immer wieder etwas einfallen lassen.«
    »Sie wussten die ganze Zeit, was Sie da schmuggeln halfen.«
    »Umso mehr Grund hatte ich, froh zu sein, es aus meinem Land verschwinden zu sehen.«
    »Ihre Männer haben die Kisten mit dem Schwarzen Tod zum nächsten Hafen gefahren. Sie haben die Kiste auf die Peter der Große geladen oder einen ähnlichen Frachter – so, wie Anatoljewitsch es angeordnet hatte.«
    Petroskows leerer Blick bestätigte Bens Worte.
    »Um wohin verschifft zu werden?«, wollte er wissen. »Wer hat sie gekauft? Wohin sollten sie letztendlich geliefert werden?«
    Oberst Petroskow holte tief Luft bevor er auf Bens Fragenbombardement antwortete. »Westafrika«, sagte er. »An eine Rebellenführerin namens Latisse Matabu in Sierra Leone.«

 
ACHTER TAG
74.
    Langsam schob Danielle den Einkaufswagen die Corniche entlang, die Promenade, die den Strand im Norden von Beirut begrenzte. Der Tag hatte heiß begonnen, und am späten Vormittag sengte die Sonne vom Himmel. Dampf stieg aus den vereinzelten Pfützen auf, die ein kurzer, heftiger Regenschauer in der Nacht zuvor hinterlassen hatte. Wenige Menschen schenkten Danielle Aufmerksamkeit, und wer es tat, schüttelten meist den Kopf oder runzelte verächtlich die Stirn.
    Die durch die endlosen Bürgerkriege entstandene Armut Libanons hatte in Beirut eine neue Subkultur entstehen lassen: die Frauen mit den Einkaufswagen. Oft obdachlos oder mittellos streunten sie über die Corniche und die Straßen im Zentrum zwischen den Gettos von Christen und Muslims, ihre Habseligkeiten zwischen Schrubbern, Lappen und Reinigungsmitteln gestopft, stets auf der Suche nach schnellen Putzjobs. Sie klopften an die Türen von Häusern, Wohnungen und Bürogebäuden in der Hoffnung, dass Fenster geputzt, Böden gewischt oder Flure geschrubbt werden müssten. Die Frauen waren bereit, für ein paar Cents zu arbeiten. Sie taten vielen Menschen Leid – genug, dass sie die Cents bekamen, die sie brauchten, um den Tag zu überleben.
    Danielle hatte zehn Dollar für den Einkaufswagen bezahlt. Seine ehemalige Besitzerin hatte sich im Tausch dafür dankbar gezeigt und sich von allem getrennt, was daran festgezurrt war dann war sie begeistert davongeeilt, bevor Danielle ihre Meinung ändern konnte.
    Sie hatte die Frau auf der Corniche getroffen, kurz nachdem sie sich von den Hafenanlagen heraufgewagt hatte. Danielle hatte ihr Boot kurz vor Morgengrauen an einem leeren Slip am Hafen vertäut, freudig überrascht, dass es kein Sicherheitspersonal zu geben schien – kein Vergleich zu den vielen Patrouillen, die es hier vor zwölf Jahren gegeben hatte, wie Danielle sich erinnerte. Tatsächlich waren nur wenige Boote überhaupt so weit unten im neuen

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