Die Spur des Drachen
Jachthafen festgemacht, wo es 1990 noch den Jachtclub des St. George Hotels gegeben hatte. Dahinter war die einzige von den Hafenanlagen aus sichtbare Veränderung zu sehen: ein Damm, der sich um ein großes Strandstück zog, auch an der Stelle, an der damals Danielles Sayaret-Kommando an Land gegangen war.
Die einst so geschäftigen und lauten Straßen im Zentrum Beiruts waren bei ihrer Ankunft vollkommen still gewesen. Kein einziges Licht hatte gebrannt, soweit sie es vom Wasser aus hatte sehen können. Offensichtlich erregte jeder, der nachts umherstrich, Furcht und Misstrauen. Das bedeutete, dass Danielle ihre Chance bei Tag suchen musste, wenn das Sicherheitspersonal des Sheik nachlässiger war und einen Angriff am wenigsten erwartet würde.
Besonders ein Angriff, der von einer einzigen Person durchgeführt wurde.
Die Idee, wie sie diesen Angriff organisieren musste, war Danielle beim Anblick des Einkaufswagens gekommen. In der Kabine des Schnellboots hatte sie die schmuddeligen Kleidungsstücke des ehemaligen Besitzers in Augenschein genommen und sich für die größten und weitesten entschieden. Sie hatte sie anprobiert und zufrieden festgestellt, dass die Sachen formlos um ihren schlanken Körper schlackerten.
Es war kein Problem, die Quader mit dem Plastiksprengstoff darunter zu verstauen, mit denen Sasha Borodin sie versorgt hatte. Auf dem Einkaufswagen gab es genügend Platz, Sprengkapseln und Zeitzünder unterzubringen, außerdem zwei Uzis, Pistolen, Munition und Handgranaten.
Der Weg über die Corniche bis ins Zentrum von Beirut, wo sich das Anwesen des Sheik befand, war länger, als Danielle in Erinnerung hatte. Die Luft war schwülheiß und der Beton der Promenade, übersät mit Ritzen und Spalten, sorgte für ein Backofenklima. Die schwache Meeresbrise brachte keine Kühlung.
Die Corniche füllte sich allmählich mit mehr Menschen, als Danielle angenehm war, selbst zu dieser frühen Stunde. Sie bog nach links ab und wartete, bis ein Mann auf einem Fahrrad vorbeigefahren war, der frische Brotlaibe transportierte, die von einem Gestell am Lenker hingen; dann schob sie ihren Wagen von der Promenade hinunter auf die Straße. Eine junge Frau auf Inlinern konnte Danielle gerade noch ausweichen und hielt mit Mühe und Not das Gleichgewicht.
»Intabih!«, rief sie. »Pass doch auf!«
Danielle schenkte ihr keine Beachtung und schob ihren Einkaufswagen bis auf die andere Straßenseite. Die Gehwege Beiruts waren in zu schlechtem Zustand, als dass man sie benutzen konnte. Danielle musste den Wagen also durch die mit Müll übersäte Gosse schieben. Gelegentlich verhakte sich ein Rad an einem Stück Abfall oder blieb im Schlamm stecken, und Danielle musste alle Kräfte aufbieten, um den Wagen wieder frei zu bekommen.
Endlich gelangte sie zur Allenby Street, in der wunderschöne Gebäude aus der Zeit um die Jahrhundertwende standen. Die Häuser standen jedoch leer – so leer wie die ausgebrannten Gebäude in den Außenbezirken der Stadt. Verblassende Hinweisschilder in den Fenstern verlassener Häuser warben um künftige Mieter.
Der Besitz von Sheik Hussein al-Akbar lag jetzt nur noch ein paar Querstraßen vor ihr, den Strandhotels gegenüber. Hinter dem Grundstück befand sich eine Seitenstraße, El Sayad, in der die Männer des Sayaret-Kommandotrupps zwölf Jahre zuvor ihre Lastwagen geparkt hatten.
Das war genau die Stelle, zu der Danielle unterwegs war.
75.
Sobald er mit den anderen Passagieren vom Flug aus Kairo durch die Tür war, sah Ben den Colonel im überfüllten Ankunftsterminal warten. Al-Asi fühlte sich sichtlich unbehaglich zwischen so vielen Menschen.
Der Flug, den Petroskow für Ben in Dubna arrangiert hatte, hatte ihn bis zu einer privaten Landebahn im Iran geführt. Von dort war er in einem Wagen nach Teheran gefahren worden, wo er in ein Flugzeug nach Kairo gestiegen war. In Kairo schließlich war er für den kurzen Flug nach Gaza erneut umgestiegen, diesmal in eine alte Militärtransportmaschine.
»Sie sehen erschöpft aus, Inspector«, begrüßte al-Asi ihn. »Ich muss Ihnen leider sagen, dass Sie keine Zeit zum Ausruhen haben werden.«
»Kein Problem. Übrigens – Sie sehen verkleidet aus«, erwiderte Ben, erleichtert, den Colonel zu sehen. Petroskow hatte sein Wort gehalten; er hatte es offensichtlich geschafft, Colonel al-Asi zu kontaktieren, um ihn darüber zu informieren, dass Ben sich auf dem Heimweg befand.
Die Sachen des Colonels waren voller Farbflecken. Er sah
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