Die Spur des Dschingis-Khan
fühlte, wie seine Füße plötzlich nach hinten gerissen wurden. Unsanft schlug er zu Boden. Wütend blickte er um sich und sah in eine Reihe von Augen, aus denen drohender Haß blitzte.
Beim Nahen des kaiserlichen Wagens hatte sich alles Volk, dem alten Brauch folgend, auf die Knie geworfen. Er allein hatte in seiner Erregung nicht darauf geachtet und war stehengeblieben.
Es glückte ihm, von dem Haufen loszukommen. Auf einem Richtweg zwischen bebauten Feldern und Wiesen strebte er wieder der Stadt zu. Und während er dahinschritt, jagten sich die Gedanken in seinem Gehirn.
Wie war das möglich? … Wie konnte das sein? … Hatte ihm nicht Isenbrandt auf das bestimmteste versichert, daß die Tage des Kaisers gezählt seien?
Und was hatte er eben gesehen?
Was hatte er gesehen? … Einen Mann in militärischer Kleidung in der großen Staatskarosse … Der Kaiser? … Der Kaiser!
Wie schauten die Augen des Mannes? … So starr … so ernst … so tot?
Aber hatte er sich nicht bewegt? Hatte er die Grüße des ihm huldigenden Volkes nicht erwidert?
Der Weg führte Fox an einer Telegraphenstation vorbei. Einen Augenblick zögerte er. Bericht an die Chicago Press geben? … Nein! … Nichts!
Fest entschlossen schritt er weiter der Stadt zu. Seine Gedanken konzentrierten sich auf die Person, derentwegen er hierhergekommen war. Collin Cameron!
Ein Blitzen in der Ferne erinnerte ihn an Isenbrandts Auftrag. Da blinkte über die Felder her in den hellen Strahlen der Maiensonne der Spiegel eines kleinen Weihers. Wellington Fox schlug einen Seitenpfad ein und schritt darauf zu. Die Gelegenheit war günstig. Weit und breit kein Mensch zu sehen.
Er rief sich die Vorschrift Isenbrandts ins Gedächtnis. Dann griff er in die Brusttasche. Ein kurzer Ruck, und der Pfropfen war entfernt. In weitem Bogen flog die Tube in das Wasser. Wellington Fox wandte sich um und ging mit schnellen Schritten der Stadt zu. Mochte Georg Isenbrandt da für die Bewohner Pekings zusammengebraut haben, was er wollte, es war jedenfalls nicht angebracht, daß irgend jemand hier Wellington Fox bei der Ausführung dieses Auftrages beobachtete.
Er gelangte in die Stadt zurück. In einer Teestube, gegenüber dem Hotel, in dem Collin Cameron abgestiegen war, nahm er an einem Fenster Platz. Der, auf dessen Kommen er hier lauerte, saß indessen im Palast des Regenten dem Schanti gegenüber.
»Das Wunder, das an dem Sohn des Himmels geschah, war unfaßbar groß … so groß, daß es niemand glauben kann, der es nicht gesehen hat.«
»Sie sahen den Kaiser?«
»Nein, Hoheit. Ich wartete hier im Palast.«
Ein leichtes, kaum merkbares Lächeln glitt während der Antwort über Collin Camerons Züge.
»Sie werden noch heute nach den Vereinigten Staaten fahren! Es ist der Wille unseres Herrn, dem die Götter so wunderbar die Gesundheit wiedergeschenkt haben. Am 6. Juli, das heißt an dem Tag nach der Wahl Josua Bordens, sollen die Pläne der höchsten Weisheit zur Ausführung kommen.«
Collin Cameron sah den Regenten erstaunt an. »Und wenn die Wahl nicht am 5. Juli stattfindet?«
»Auch dann!«
Mit einem Ruck war Collin Cameron aufgestanden.
»Auch dann?«
Der Regent nickte.
»Die Wahl soll am fünften stattfinden … Es wäre gut, wenn es geschähe. Doch es könnte sein, daß die Wahl verschoben wird … Das Geheimnis scheint nicht gut gewahrt worden zu sein … Es wäre möglich, daß man einen Strich durch alle Pläne macht, indem man die Gouverneurswahl verschiebt. Ein solcher Aufschub würde die Absichten des großen Herrn stören. Ihre Aufgabe ist es, dahin zu wirken, daß die schwarze Bewegung unter allen Umständen am sechsten losbricht!«
»Hoheit! Die schwarzen Führer dahin zu bringen, ist unmöglich!«
»Dann ist es Ihre Aufgabe, die Bewegung auch ohne die Führer zum Ausbruch zu bringen. Das ›Wie‹ ist Ihre Sache. Mittel aller Art stehen zur Verfügung.«
Collin Cameron starrte stumm vor sich hin. Der Schanti sprach weiter: »Sie werden die Aufgabe annehmen … und vollbringen!«
Noch immer schwieg Collin Cameron. Erst nach einer geraumen Weile erhob er sich.
»Der schwerste Auftrag, den mir Eure Hoheit je gegeben. Ich übernehme ihn.«
Collin Cameron verließ den Raum. Im Vorzimmer fiel ihm das verstörte Gesicht eines Adjutanten auf, der sich dem Zimmer des Regenten näherte.
Ein Klopfen an der Tür ließ diesen aufschrecken.
»Was ist?«
Sein persönlicher Adjutant stand vor ihm. Das Gesicht war verstört, seine Augen
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