Die Spur des Dschingis-Khan
Burschen einmal eine gründliche Lektion zu geben. Ich will mir das so geschickt gebaute Nest mal aus der Nähe besehen.«
Isenbrandt hatte nur mit halbem Ohr zugehört. Seine Gedanken folgten den flüchtigen Feinden in der Luft. Seine Augen hafteten an der Steuerbordbatterie des Kreuzers. Infolge der schrägen Lage des Schiffes zeigten auch die Geschütze eine anomale Überhöhung. Es mußte möglich sein, in dieser Stellung eine ganz außergewöhnliche Schußweite zu erreichen.
Isenbrandt hatte seinen Entschluß gefaßt. Ohne sich nach dem Adjutanten umzusehen, der auf den zerschossenen Hafen zuschritt, eilte er in den Kreuzer zurück und stieg in die Batterie.
Der Batterieraum war verlassen. Neben den Geschützen standen die schußfertigen Granaten. Nicht ohne Anstrengung schraubte Isenbrandt den Zünder einer Schrapnellgranate ab und entfernte die Ladung aus dem Geschoß. Dann griff er nach einer in der Nähe stehenden Wasserkanne und füllte das Hohlgeschoß mit dem Naß. Jetzt ließ er eine Zinntube hineingleiten und schraubte den Zünder wieder auf.
Schnell war ein Geschütz mit der so veränderten Granate geladen. Ein Druck auf den Feuerknopf. Krachend fuhr der Schuß aus dem Rohr. Leicht schwankte der Kreuzer unter dem Rückstoß hin und her.
Während das Echo des Schusses noch vieltönig von den Bergwänden zurückgeworfen wurde, ertönte plötzlich Maschinengewehrfeuer von den Hafenruinen her. Der Kanonenschuß hatte die Besatzung des Kreuzers schon alarmiert. Sie sahen Isenbrandt neben dem Geschütz stehen und glaubten zunächst, er hätte nach dem Flughafen geschossen.
Jetzt nahm Isenbrandt sein Glas, um den Ursprung des Maschinengewehrfeuers zu erspähen. Und sah mit Schrecken, wie Averil Lowdale in weiten Sprüngen über die Sandfläche hin auf den Kreuzer zueilte. Ihm galt zweifellos das Feuer.
»Verflucht! Sind doch noch einige Halunken dem Torpedo entgangen … Ah …«
Georg Isenbrandt preßte die Lippen zusammen. Er sah Averil Lowdale fallen.
Hastig eilte er nach unten. Aber als er die Bordtür öffnete, kam ihm der Adjutant schon entgegen. Er preßte mit der Linken den rechten Arm fest an. Eine Blutspur zeichnete seinen Weg. Sein Gesicht war blaß. Keuchend stand er an der Treppe. Mit kräftigen Armen hob ihn Isenbrandt hinein. Die ersten Gewehrkugeln prasselten gegen den Schiffsrumpf.
»Gott sei Dank, Herr Hauptmann! Ich fürchtete das Schlimmste, als ich Sie stürzen sah. Sie werden sofort verbunden werden. Hoffentlich ist die Verletzung nicht allzu schwer.«
Er geleitete Averil Lowdale zu Herrn von Löwen, der dem Verwundeten seine Hilfe angedeihen ließ und den Arm sorgfältig bandagierte.
»Ich bin kein Doktor von Profession, Herr Hauptmann«, sagte er lachend, »aber ich kann Ihnen doch mit einiger Sicherheit sagen, daß der Schuß ungefährlich ist. Immerhin wird er Sie für ein paar Monate dienstunfähig machen.«
Isenbrandt sah auf die Uhr.
»Ist der Maschinenschaden noch nicht behoben?«
»Sofort, Herr Isenbrandt. Es kann sich nur noch um Minuten handeln.«
»In zwei Minuten müssen wir fertig sein!«
»Warum?«
»Blicken Sie auf den Horizont über den Kämmen im Südosten! … Sehen Sie die zackigen, gelben Wolken? … Da braut sich ein Unwetter zusammen. Es darf uns nicht am Boden überraschen.«
Der Kommandant schaute prüfend nach der angegebenen Richtung.
»Oho! … Sie haben recht, Herr Isenbrandt … Da braut sich allerlei zusammen … Der fahle Himmel … die gelben Wolken … das bedeutet nichts Gutes …«
Er eilte zum Barometer.
»Richtig! Das Glas ist plötzlich um zwei Zentimeter gefallen … fällt sichtbar weiter … Wenn wir hier nicht im Hochland von Pamir wären, würde ich wetten, daß uns ein starker Taifun bevorsteht … Unerklärlich … Hier habe ich dergleichen noch nie erlebt … nie gehört, daß es hier geschehen wäre …«
»Fertig!« kam die Meldung von unten.
»Bravo! Höchste Zeit!« sagte Löwen. »Los!«
Langsam richtete sich das schrägliegende Schiff auf. Die Propeller gingen an, und in glatter Fahrt verließ es den Landungsort.
»Volldampf nach Norden!« lautete der Befehl.
Es war hohe Zeit gewesen, daß der Kreuzer die Gewalt über sein Element zurückgewann, der Orkan brach los.
Ein Wirbelsturm von unerhörter Stärke, gegen den selbst dieser starke Kreuzer nicht direkt ankämpfen konnte. Während das Schiff in weitem Bogen über das iranische Hochland gerissen wurde, setzte Herr von Löwen seine ganze Steuerkunst daran,
Weitere Kostenlose Bücher