Die Spur Des Feuers
glücklich und zufrieden wie möglich sind.« Er lächelte grimmig.
»Schließlich bin ich ja ein Scheusal.«
»Hat Sie das getroffen?«
»Vielleicht.« Er dachte darüber nach. »Ich glaube schon. Ich bin daran gewöhnt, aber es kommt durchaus vor, dass ein Wort oder ein besonders boshafter Angriff meine Schutzmauern durchbricht.«
Sie schwieg eine Weile. »Wenn Sie in den Gedanken von Menschen herumpfuschen, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn man Sie dafür verabscheut. Es gibt keine unangenehmere Art des Eindringens in die Privatsphäre.«
»Ich wundere mich auch nicht. Mich würde es auch wütend machen«, erwiderte er müde. »Glauben Sie etwa, das macht mir Spaß? Sie haben ja keine Ahnung, wie viel Dreck die Leute in ihrem Kopf verbergen. Die Köpfe mancher Menschen sind die reinsten Jauchegruben.«
»Dann halten Sie sich aus meinem raus.«
Er lächelte. »Ihr Kopf ist bemerkenswert sauber. Na ja, ein paar unterdrückte sexuelle Wünsche und Phantasien, aber im Großen und Ganzen ist Ihre Gedankenwelt sauber, ehrlich und hell. Meistens war es ein Vergnügen, Ihre Gedankenwelt zu erkunden. Die einzigen Probleme für mich waren Ihre Albträume und die Schutzmauern, hinter denen Sie sich verbarrikadierten, wenn Sie an den Tod Ihrer Mutter dachten.
Das war eine Mischung aus einem Ritt auf einem Tornado und dem Eingeschlossensein in einem Sarg.« Er warf ihr einen Blick zu. »Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie das für Sie ist. Sie hätten sich von Travis helfen lassen sollen.«
»Ihre Meinung interessiert mich nicht und ich brauche keine Krücke.«
»Eine kleine Stütze, bis man lernt, auf den eigenen Füßen zu stehen, ist keine Schwäche.«
»Sprechen Sie aus Erfahrung?«
Er verzog das Gesicht. »Nein, ich war zu durcheinander und zu stur, um mir helfen zu lassen. Aber Sie sollten tun, was ich Ihnen sage, nicht was ich Ihnen vorlebe. Das ist gesünder. Das Leben wäre viel einfacher für mich gewesen, wenn ich anfangs jemanden wie Michael Travis zur Seite gehabt hätte.«
»Er hat mir gesagt, Sie gehörten eigentlich nicht zu seiner Gruppe.«
Er schüttelte den Kopf. »Das Einzige, was ich mit Travis und seinen Freunden gemeinsam habe, ist die Tatsache, dass ich meine Fähigkeit auf dieselbe Weise entwickelt habe wie sie. Ich wurde mit dreizehn Jahren bei einem Autounfall verletzt und habe anschließend fast ein Jahr lang im Koma gelegen.
Nachdem ich aus dem Koma erwacht war, hielten mich lange Zeit alle für normal. Alle bis auf mich. Ich wusste, dass ich verkorkst war, aber ich wollte nicht, dass jemand davon erfuhr.
Ich glaubte, ich würde in die Gedankenwelt anderer Menschen gesogen. Ich dachte, ich wäre drauf und dran, verrückt zu werden, und ich wollte jede Minute meines Lebens voll auskosten, bis man mich in die Irrenanstalt steckte. Meine Eltern waren zu sehr damit beschäftigt, die politische Karriere meines Bruders Cam zu unterstützen, um sich groß um mich zu kümmern. Die haben mich also meinen Weg gehen lassen. Und mein Weg bestand darin, jeden denkbaren Exzess auszuleben und Dinge, die nicht verfügbar waren, zu erfinden.« Er schüttelte den Kopf. »Von wegen schwarze Schafe.«
»Michael meinte, Sie und Ihr Bruder hätten sich sehr nahe gestanden. Es wundert mich, dass er nicht versucht hat einzugreifen.«
»Das hat er. Er hat es unermüdlich versucht, aber ich wollte nicht auf ihn hören. Irgendwann hatte ich mir lange genug in meiner Heimat die Hörner abgestoßen und fing an, in der Welt herumzureisen. In Tanger bin ich dann endgültig abgestürzt und war kurz davor, nach Hause zurückzukehren und mich freiwillig in die Anstalt einweisen zu lassen.«
»Was hat Sie davon abgehalten?«
»Mein Ego. Ich habe mir gesagt, dass jemand, der in jeder Hinsicht so normal ist wie ich, nicht verrückt sein kann, bloß weil er in die Gedankenwelt anderer Menschen gesogen wird.
Also habe ich mir ein halbes Jahr Zeit gegeben, um damit herumzuexperimentieren und festzustellen, ob ich tatsächlich bekloppt war oder ob es sich um eine parapsychologische Fähigkeit handelte. Das war ein interessantes halbes Jahr. Ich konnte von Glück sagen, dass ich danach nicht vollkommen psychotisch war. Sie würden sich wundern, wie viele Leute total verkorkst und pervers im Kopf sind, und ich bin einigen Exemplaren davon begegnet. Manchmal konnte ich nur überleben, indem ich ihre Wirklichkeit in Phantasien verwandelt und so verändert habe, dass ich mich davon befreien konnte.«
»So wie Sie es
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