Die Spur Des Feuers
Lieber Himmel, Marionville! In dem Kaff war er nicht mehr gewesen, seit er damals das Fulbright-Stipendium erhalten hatte und zum Studieren nach Europa gegangen war. Er hatte geglaubt, er hätte diese Erinnerungen längst hinter sich gelassen, aber mit einem Mal stürmten sie wieder auf ihn ein.
All die bitteren Demütigungen und die köstlichen Triumphe …
»Ja, ich will über jeden ihrer Schritte informiert werden.«
»An die kommen Sie nicht ran. Ich sagte Ihnen ja, sie ist in Begleitung von –«
»Ja, ja, ich habe verstanden. Ich melde mich wieder bei Ihnen.« Er legte auf.
Marionville.
Er konnte sich genau vorstellen, wie Kerry Murphy suchte und schnüffelte, wie sie in der Asche der Vergangenheit herumstocherte. Das Bild war seltsam verlockend. Vielleicht war das ihre Absicht, vielleicht versuchte sie, ihn dazu zu bringen, dass er ihr folgte.
Marionville …
»Lassen Sie mich an der Stadtbibliothek aussteigen«, sagte Kerry. Falls der Ort überhaupt eine Bibliothek hatte, dachte sie frustriert. Marionville war weiß Gott keine geschäftige Großstadt. Auf dem Ortseingangsschild war die Einwohnerzahl mit elftausend angegeben, doch möglicherweise war das Schild schon alt. Die Hälfte der Geschäfte an der Hauptstraße, die sich quer durch den Ort wand, waren geschlossen. »Ich möchte mir alte Zeitungen ansehen, vielleicht finde ich irgendwas über Trask.«
»Wie weit wollen Sie denn zurückgehen?«
»Bis zum Anfang. Ich fange an mit dem Jahr, in dem er geboren wurde.«
»Ich glaube kaum, dass er als Säugling schon irgendwelche Streiche ausgeheckt hat.«
»Das ist mir egal. Ich will alles über ihn in Erfahrung bringen.«
Silver nickte. »Als wir in den Ort reingefahren sind, habe ich eine Grundschule gesehen. Schulen und Bibliotheken liegen häufig dicht beieinander.« Er wendete an der nächsten Ecke.
»Wenn wir die Bibliothek nicht finden, fragen wir in der Schule nach.«
»In Ordnung.« Sie fuhren an schmalen Einfamilienhäusern mit windschiefen Veranden vorbei, an denen die Farbe abblätterte.
»Das ist ja deprimierend. Sieht aus wie eine sterbende Stadt.«
»Wahrscheinlich sieht sie nicht nur so aus. Als die Minen stillgelegt wurden, bedeutete das wohl das Aus für den Ort.«
Silver bog auf den Schulparkplatz ein und stieg aus. »Bin gleich wieder da.« Er warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass Ledbruks Leute in Sichtweite waren. »Es wird nicht lange dauern.«
Sie schaute ihm nach, als er die Stufen hinaufging und die Schule betrat. Das Backsteingebäude sah genauso heruntergekommen aus wie die Holzhäuser, an denen sie vorbeigefahren waren. Ob das hier schon so ausgesehen hatte, als Trask hier aufgewachsen war?
Zehn Minuten später kam Silver zurück zum Wagen.
»Die einzige örtliche Tageszeitung ist die Marionville Gazette.
Sie erscheint seit siebzig Jahren. Die Bibliothek ist zwei Straßen weiter. Dort hinten an der Ecke links, dann sehen Sie sie gleich auf der rechten Seite.«
»Sie kommen nicht mit?«
»Ich habe da drinnen einen Blick ins Archiv geworfen und festgestellt, dass Trask diese Schule besucht hat. Ich dachte, ich mache mir ein paar Kopien von den Unterlagen, anschließend nehme ich mir die High School vor. Sie liegt in Cartersville, knapp sieben Kilometer von hier.«
»Glauben Sie, die lassen Sie einfach so in ihr Archiv gucken?«
»Ich werde sie schon dazu überreden. Ich kann sehr überzeugend sein.« Er trat einen Schritt zurück. »Ich rufe Sie an, wenn ich fertig bin, dann können Sie mich abholen«, sagte er und ging wieder zurück in die Schule.
Kerry rutschte auf den Fahrersitz. Was für eine blöde Frage!
Selbstverständlich würde Silver in der Lage sein, sich die Informationen zu beschaffen. Überzeugend war allerdings reichlich untertrieben.
Der Computer in der Bibliothek von Marionville war der reinste Dinosaurier. Kerry startete ihre Suche nach Informationen über Trask. Nach einer Stunde wurde es besser.
Es ging immer noch langsam, doch es war erträglich. Kerry brauchte fast eine halbe Stunde, um in der Zeitung das erste Jahr von Trasks Leben zu überfliegen. Allerdings fand sie nichts weiter als eine Geburtsanzeige, in der Charles und Elizabeth Trask verkündeten, dass sie nun die stolzen Eltern eines gesunden Jungen seien.
Das nächste Mal tauchte Trasks Name auf, als er im Alter von sieben Jahren einen Rechtschreibwettbewerb gewonnen hatte.
Zwei Jahre später hatte er den ersten Platz in einem im gesamten
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