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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Batavia gewesen. Er sah wieder sein kleines, spärlich möbliertes Zimmer vor sich, spürte wieder die schrecklich schwüle Hitze, die Körper und Geist schwächte. Schlaflos und einsam, hatte er das Gelände der Handelsstation verlassen und war durch die Straßen der Stadt geschlendert.
    Die exotische Pracht Batavias hatte deGraeff in ihren Bann geschlagen. An den Ufern der Kanäle feierten die Reichen ihre Feste; fröhliches Lachen schallte über das im Licht bunter Laternen funkelnde Wasser. Holländische Männer und Frauen spazierten durch die Straßen und über die Brücken; asiatische Händler, Seeleute und Arbeiter drängten sich in den Gaststuben und Spielhallen. Ein babylonisches Sprachgewirr erhob sich über die Klänge holländischer Leiern, chinesischer Flöten und indonesischer Trommeln und Becken.
    »Herr! Ihr suchen Vergnügen? Kommen herein, kommen herein!« Vor einer Reihe halb verfallener Häuser im Eingeborenenviertel der Stadt stand ein lächelnder junger Mann aus Java. Er lockte deGraeff in ein Zimmer, in dem nackte Mädchen vor einer Meute gaffender Männer auf und ab stolzierten. »Ich verkaufen Euch wunderschöne Frau für gute Preis.«
    »Nein, danke.« DeGraeff verließ das Haus, doch der Kuppler folgte ihm.
    »Ihr nicht mögen Frauen, Herr? Dann kommt mit – ich Euch geben, was wollt.«
    Jede Faser seines Seins schrie deGraeff zu, er solle verschwinden; seine Seele stand auf dem Spiel. In der kleinen Kolonie, in der fast jeder den anderen kannte, war die Gefahr sehr groß, zum Gegenstand von Klatsch und Tratsch zu werden. Doch deGraeffs Sehnsucht nach menschlicher Zuwendung und seine sexuelle Begierde waren stärker als sein Verlangen nach Errettung. Das Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren übertönte die warnenden Stimmen in seinem Inneren. Er folgte dem Kuppler durch dunkle, schmutzige Gassen und über stinkende Seitenkanäle bis zum Fluss. Die tropische Nacht war erfüllt von dem süßen, schweren Duft exotischer Orchideen und dem Gesang der Insekten. Der Mond stand wie ein großer goldener Gulden am Himmel und erhellte den Pfad, über den der Kuppler den Holländer führte. Sie kamen an vertäuten Schiffen mit Aufbauten aus Bambus vorüber, die mit zerlumpten Decken verhängt waren, hinter denen Lampen in trübem Licht flackerten. Vor einem der Schiffe blieb der Kuppler stehen.
    »Hier ist es, Herr«, sagte er, ging an Bord und zog den Vorhang zur Seite.
    Auf einem Stapel seidener Kissen saß ein wunderschöner junger Mann, ein Eingeborener mit glatter dunkler Haut, schlanken Muskeln und glänzenden Augen. Er war nur mit einem Lendenschurz bekleidet.
    Der Anblick des Jungen verschlug deGraeff den Atem. Möge Gott sich meiner Seele erbarmen … »Wie viel?«, fragte er mit belegter Stimme.
    Einige Zeit später stieg deGraeff vom Boot herunter, befriedigt, aber zutiefst beschämt. Nun gab es keine Hoffnung mehr für seine Seele; nun war er verdammt. Plötzlich sah er in der Nähe die Gestalt eines Holländers, dessen breitkrempiger Hut sich deutlich im Licht des Mondes abzeichnete. Die Glut in der brennenden Pfeife erhellte das gut aussehende Gesicht und das goldene Haar von Jan Spaen. Der Mann war offenbar im Bordell gewesen, hatte gesehen, wie deGraeff davongegangen war und gehört, wie der Kuppler ihm den Vorschlag machte, ihn hierher zu führen, und war ihm anscheinend gefolgt. Vor Entsetzen war deGraeff wie gelähmt. Schaudernd stellte er sich kräftige Hände vor, die ihn in einen Sack aus Hanf steckten und hörte seine Schreie, bevor das Meer ihn verschlang … Dann nickte Spaen ihm zu und schlenderte davon.
    Den nächsten Tag verbrachte deGraeff damit, von panischer Angst erfüllt auf die Polizei zu warten, die ihn gewiss verhaften würde. Stattdessen erschien Jan Spaen. »Ich habe gehört, du bist einer der tüchtigsten Männer in unserem Geschäft«, sagte er. »Ich brauche einen Partner. Ich habe schon mit deinen Vorgesetzten gesprochen. Sie sind einverstanden, dass du in Zukunft mit mir zusammen arbeitest. Du wirst das gleiche Gehalt bekommen wie von der Kompanie – und einen Anteil an jedem Gulden, den wir auf die Seite schaffen. Es wird sich für dich lohnen, das verspreche ich dir.«
    Spaen sprach niemals darüber, was er in jener Nacht in Batavia gesehen hatte, doch sein wissendes Lächeln ließ deGraeff stets erkennen, dass er es tun würde , sollte sich die Notwendigkeit ergeben. Deshalb begleitete deGraeff ihn auf der Suche nach möglichen neuen

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