Die Spur des Verraeters
Gewürzlieferanten durch die Dschungel Asiens und segelte mit ihm nach Indien und China, um Seide zu erwerben, die in Europa verkauft wurde. Während Spaens Wagemut und sein einnehmendes Wesen neue Märkte eröffnete und für lukrative Geschäfte sorgte, ließ deGraeffs Scharfsinn in finanziellen Dingen ihre Gewinne zu einem riesigen Vermögen anwachsen. Doch für deGraeff wurde die Partnerschaft rasch unerträglich. Er verabscheute Spaens Hang zur Trinkerei und zum Glücksspiel, seine Vorliebe für sexuelle Exzesse und seine kriegerische Natur: Bei Spaens Sturmangriff auf Taiwan wäre deGraeff beinahe ums Leben gekommen. Überdies förderte Spaen die Laster seines Partners, indem er ihm ständig junge Männer zuführte, egal wohin ihre Reisen sie führten. »Gute Dienste pflege ich stets zu belohnen«, bemerkte er dazu.
Nachdem deGraeff seinem sexuellen Verlangen erst einmal nachgegeben hatte, konnte er den ständigen Verlockungen nicht mehr widerstehen. Indem Spaen ihm junge Männer zuführte, band er deGraeff enger an sich, doch dessen Wunsch nach Freiheit wurde immer stärker. In Nagasaki schließlich erklärte deGraeff seinem Partner, sie wären fertig miteinander; bei dieser Gelegenheit führten sie das Streitgespräch, das Huygens mit angehört hatte. Doch wenngleich Huygens’ Wissen deGraeff beunruhigte, war der Arzt ein viel schwächerer Gegner für ihn, als Jan Spaen es gewesen war.
»Du hast Spaen ebenfalls gefürchtet und gehasst!«, reagierte deGraeff nun auf den plumpen Erpressungsversuch Huygens’. »Wenn ich ein Motiv hatte, Spaen zu ermorden, hattest du es auch! Und falls du mir drohen willst, weil du gewisse Dinge über mich weißt, dann sei bloß vorsichtig. Denn ich weiß ebenso viele Dinge über dich!«
Er hatte Huygens offenbar völlig falsch eingeschätzt. Der Arzt war ihm immer als ein Musterbeispiel bürgerlicher Tugend erschienen. Was Huygens auch getan haben mochte – es musste etwas Schlimmes gewesen sein; schlimm genug, dass ihm der Gedanke, es könnte an die Öffentlichkeit dringen, schreckliche Furcht einjagte. »Was die japanischen Behörden angeht, könnte jeder von uns beiden ein Schmuggler sein«, fuhr deGraeff fort, wenngleich er wusste, dass es gegen ihn sprach, über Jahre hinweg Spaens Partner bei dessen Privatgeschäften gewesen zu sein. »Du hattest genauso leicht Zugang zu den Waren in den Lagerhäusern wie ich. Außerdem sprichst du Japanisch, ich dagegen nicht!«
Huygens schlug die Hände vors Gesicht und stieß einen Fluch aus. » Verdomme !«
DeGraeff lächelte. »Nun, wie es aussieht, müssen wir uns zusammentun, um uns gegenseitig zu schützen«, sagte er. »Wenn du meine Geheimnisse für dich behältst, werde ich über die deinen schweigen. Wenn wir den Mund halten, kann niemand uns des Mordes an Spaen anklagen. Dann sind wir sicher.«
Der Arzt hob den Blick und nickte. In seinen Augen lagen Erleichterung und Dankbarkeit. »Ja, ja. Genauso machen wir’s.« Er nahm deGraeffs Rechte in seine heißen, verschwitzten Hände. »Danke, Maarten.«
Unten auf der Straße umringten die Wachen die drei anderen Holländer, die an diesem Morgen von ihrer Reise zurückgekehrt waren. Dolmetscher Iishino winkte und rief: »Vizedirektor deGraeff! Dr. Huygens! Wir machen uns jetzt auf den Weg zu Direktor Spaens Beerdigung.«
DeGraeff stand auf und ging zur Leiter. »Und ich danke dir, Nicolaes«, sagte er.
Seine Seele mochte dazu verdammt sein, bis in alle Ewigkeit im Höllenfeuer zu schmoren, doch mit ein wenig Glück würden ihn weder die japanischen noch die holländischen Behörden des Mordes an Jan Spaen oder eines anderen Verbrechens anklagen. Bald würde die Gefahr vorüber sein, und er konnte als freier und wohlhabender Mann nach Holland zurückkehren.
Er fragte sich, was Huygens’ Geheimnis sein mochte. Was hatte der Arzt sich zu Schulden kommen lassen? War der gute Doktor zu einem Mord fähig …?
23.
D
er Trauerzug mit dem Sarg Jan Spaens bewegte sich die steilen Straßen Nagasakis hinauf zum holländischen Friedhof in den Hügeln. Sano trug sein zeremonielles weißes Untergewand, den schwarzen Seidenkimono, eine schwarze Hose und einen Übermantel. Seine Samurai-Schwerter waren als Geste der Achtung vor dem Toten mit schwarzen Tüchern umwickelt. Er ritt ziemlich am Ende des Trauerzuges. Gleichfalls berittene Soldaten schufen an der Spitze der Prozession eine Gasse durch die Menschenmenge, die gekommen war, um sich die Barbaren anzuschauen. Viele Zuschauer
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