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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Magen verkrampfte sich, und er wehrte sich gegen einen Schwindelanfall. Wenn ein kleiner Beamter wie Yoshidô von diesen Verbrechen wusste – wer wusste dann noch alles davon? Und musste die Wahrheit über kurz oder lang dann nicht zwangsläufig ans Licht kommen?
    Der Statthalter hob eine Hand, worauf sämtliche Geräusche verstummten und alle Bewegungen erstarben. »Fangt an!«, befahl er den Scharfrichtern.
    Der eta packte den Haarknoten, der Yoshidô bis in den Nacken hing, zerrte den Kopf des Delinquenten nach hinten und hielt ihn mit so festem Griff, dass Yoshidô ihn nicht mehr bewegen konnte. Dem ängstlichen Beobachter klopfte das Herz bis zum Hals, und der entsetzliche Gedanke, an der Stelle des Verurteilten zu sein, ließ seine Glieder kalt und taub werden. Yoshidô war ein Samurai, der nun keinen ruhmreichen Tod auf dem Schlachtfeld starb oder sich wenigstens das Leben ehrenvoll von eigener Hand nehmen durfte, indem er rituellen Selbstmord beging, wie es sich für einen Samurai geziemte, sondern der als überführter Verräter in Schmach und Schande getötet wurde.
    Der ängstliche Beobachter rief sich das Bild jener Person vor Augen, die er der Verbrechen auf der Insel Deshima verdächtigte, und stellte sich vor, diese Person würde nun an Yoshidôs Stelle vor dem Scharfrichter knien, der soeben das Schwert zum tödlichen Schlag hob. Es war eine Person, deren Leben durch ein unzerreißbares Band mit dem des Beobachters verknüpft war. Würden sie beide eines Tages auch so sterben wie Yoshidô, Seite an Seite? Die Strafe für ein so schweres Verbrechen war nicht bloß der eigene Tod, sondern die Hinrichtung der ganzen Familie und sämtlicher Freunde und Verbündeter. Bitte , ihr Götter , betete der Beobachter stumm und voller Entsetzen, lasst es niemals so weit kommen !
    »O ja! Es gibt größere Schurken als mich, die wahrscheinlich genau in diesem Augenblick ihre schändlichen und verräterischen Taten begehen. Diese Leute solltet ihr bestrafen!«
    Yoshidôs verzweifelte Stimme hallte von den Hügelhängen wider. Das Entsetzen schärfte sämtliche Sinne des Beobachters. Er hörte, wie die Menge fast gleichzeitig Atem holte, und zugleich mit dem Duft der salzigen Luft nahm er die Gerüche gespannter Erwartung und neugieriger Vorfreude wahr. Unter den blinden, gnadenlosen Augen der Sonne und über das Hämmern seines eigenen Herzens hinweg hörte er Yoshidô schreien: »Nein, bitte nicht! Nein! Nein! Nein !«
    Das Schwert des Scharfrichters beschrieb einen silbern flirrenden Bogen, und eine Fontäne aus Blut schoss empor, als die Klinge Yoshidôs Kopf vom Rumpf trennte und sein Flehen, seine Proteste und Anklagen für immer verstummen ließ.
    Im Herzen des ängstlichen Beobachters aber lebte das Entsetzen fort. Und wenn die Dinge sich weiterhin so entwickelten, wie es zur Zeit der Fall war, würde die Gefahr zunehmen. Es würde weitere Hinrichtungen geben, noch mehr Schande, noch mehr Verzweiflung und Tod – es sei denn, er machte den Verbrechen ein Ende, bevor jemand anders es tat.

1.

    S
    ano Ichirō, der sôsakan-sama des Shogun – der höchst ehrenwerte Ermittler von Ereignissen, Gegebenheiten und Personen –, eilte durch die abendlichen Straßen Edos. Ein Wolkenbruch hatte dafür gesorgt, dass im Händlerviertel Nihonbashi keine Fußgänger mehr unterwegs waren. Noch immer prasselte der Regen auf die Ziegeldächer, strömte die Dachvorsprünge und Regenrinnen hinunter, tropfte von der Krempe des Strohhuts, den Sano trug, und durchnässte seinen Umhang und die Hose. Die feuchte Luft drang ihm in die Lungen, und die Gerüche von nassem Holz und regengetränkter Erde stiegen ihm in die Nase. An Sanos Seite schritt sein oberster Gefolgsmann, Hirata; den beiden folgten zehn Samurai, die einer von Sano geführten Spezialtruppe der Polizei von Edo angehörten. Die Füße der Männer, die in Sandalen steckten, klatschten im Schlamm der schmalen Straße. Die Schänken und Essstuben, in denen Sano und seine Leute Zuflucht vor dem Unwetter hätten suchen können, beachteten sie gar nicht; nur ihr Auftrag zählte, und so eilten sie im strömenden Regen weiter.
    »Da ist es«, sagte Sano und blieb vor einer Villa stehen, die von einer hohen Mauer aus Stein umgeben war. Über dem Tor hingen schwarze Trauertücher; Laternen im Inneren des Gebäudes warfen flackerndes trübes Licht hinaus in den regnerischen Abend. Sano und seine Männer versammelten sich unter dem Vordach eines Ladens auf der

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