Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
Vom Netzwerk:
holländischer Schiffe oder Waren mit der Fähre nach Deshima transportiert oder von hier zu den holländischen Seglern gebracht werden. Und ich kann Euch versichern, dass das Schleusentor und jeder Teil der Insel unter ständiger Bewachung stehen.«
    »Auch gestern Abend?«
    »Auch gestern Abend.«
    Sano betrachtete die Treppe, sah aber keine Fußspuren oder sonstige Anzeichen dafür, dass jemand die Stufen vor kurzem betreten hatte. »Hat die Insel ein Abwassersystem?«, fragte er.
    Kommandant Ohira seufzte und blickte verärgert zum Himmel. »Ja, natürlich. Die Abwässer werden durch unterirdische Röhren in das Hafenbecken geleitet. Die Röhren haben einen so geringen Durchmesser, dass nur Wasser hindurchgeht, nichts sonst.« Offensichtlich darauf bedacht, die Inspektionsrunde endlich zu beenden, fragte Ohira: »Was wollt Ihr als Nächstes sehen?«
    Dolmetscher Iishino meldete sich zu Wort. »Ich schlage vor, Ihr führt den sôsakan einmal um die ganze Insel herum und zeigt ihm dann die Zimmer, in denen Direktor Spaen gewohnt hat. Vielleicht entdeckt der sôsakan irgendetwas, das Ihr übersehen habt.«
    »Von Euch nehme ich keine Befehle entgegen!«, sagte Ohira mit scharfer Stimme. »Und wie könnt Ihr es wagen, mir zu unterstellen, etwas übersehen zu haben?«
    Iishino hob beschwichtigend die Hände und grinste. »Ich bitte um Vergebung, wenn ich Euch beleidigt habe. Ich versuche nur zu helfen.«
    »Lasst es bleiben.«
    Es war eine heftige Reaktion Ohiras – selbst wenn man berücksichtigte, wie nervtötend und unangenehm es sein musste, regelmäßig mit Iishino zusammenarbeiten zu müssen. Sano wusste, dass sein ohnehin gespanntes Verhältnis zu Ohira sich weiter verschlechtern würde, falls er sich auf die Seite Iishinos stellte, aber er hatte tatsächlich die Absicht, die Insel zu umrunden, wie der Dolmetscher es vorgeschlagen hatte, und sagte es Ohira.
    »Wartet in Direktor Spaens Unterkunft auf mich, Iishino«, wandte er sich dann an den Dolmetscher. »Wir treffen uns dort, sobald Kommandant Ohira und ich unseren Inspektionsgang beendet haben.«
    Durch seine Anweisung versuchte Sano, die Spannungen zu entschärfen, doch als Iishino sich beleidigt auf den Weg zur Hauptstraße machte, war Ohira immer noch wütend. Er befahl den Wachen, das Schleusentor zu schließen, und stapfte los.
    Sano schloss zu ihm auf. »Ist es möglich, dass das Unwetter gestern Abend die Sicherheitsmaßnahmen auf Deshima beeinträchtigt hat?«
    Ohira starrte vor sich hin, während er mit Sano über einen Kiesweg schlenderte, der zwischen dem äußeren und einem inneren Palisadenzaun am Ufer der Insel verlief. »Wie Ihr seht, sorge ich dafür, dass Deshima unter strengster Bewachung steht. Das Wetter hat keinen Einfluss darauf. Hier kommt nichts und niemand durch.«
    Aber irgendjemand muss hier gewesen sein, dachte Sano, fragte sich allerdings, wie jemand den inneren und äußeren Zaun überklettert haben könnte. Was war in der vergangenen Nacht wirklich auf Deshima geschehen?
    »Wann und wo wurde Direktor Spaen das letzte Mal gesehen?«, fragte Sano, als er und Ohira um eine Kurve bogen und am Westufer der Insel entlanggingen.
    »Gegen Mitternacht. Er war auf seinem Zimmer, als die Wachen es inspiziert haben. Sie haben ihn dann eingeschlossen.«
    Egal wie Spaen aus seinem Zimmer gekommen war – er hätte seit Stunden verschwunden sein können, bevor jemand entdeckte, dass er sich nicht mehr in seinem Quartier aufhielt.
    »Ihr müsst nach so langer Zeit gut mit Direktor Spaen bekannt gewesen sein, Kommandant Ohira«, fuhr Sano fort. »Habt Ihr eine Ahnung, wohin er gegangen sein könnte, als er Deshima verließ?«
    Ohira blieb abrupt stehen und starrte Sano ins Gesicht. »Ich verbrüdere mich nicht mit den Holländern.« Vor Zorn blähten sich seine Nasenflügel. »Und ich halte mich an die Gesetze und Vorschriften. Wenn ich irgendetwas über das Verschwinden oder die Ermordung von Direktor Spaen wüsste, hätte ich es Euch längst gesagt, das könnt Ihr mir glauben.«
    Sanos Zweifel an Ohiras Aufrichtigkeit wuchsen. Wenn der Kommandant wirklich so schuldlos war, wie er behauptete, hätte er dann nicht bereitwillig mit Sano zusammengearbeitet? Gewiss hatten seelische Anspannungen mitunter die seltsamsten Auswirkungen auf einen Menschen, doch einem Mann, der ihm so feindselig gegenüberstand wie Ohira, konnte Sano unmöglich vertrauen.
    »Ich werde mit Euren Untergebenen reden«, sagte er. »Vielleicht wissen sie etwas über die

Weitere Kostenlose Bücher