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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Vorfälle des gestrigen Abends.«
    Schweiß schimmerte auf Ohiras Gesicht, als würde er unter einer fiebrigen Erkrankung leiden. »Ich kann Euch versichern, dass ich bereits mit sämtlichen Wachsoldaten, Bediensteten und Dolmetschern gesprochen habe.« Er starrte Sano an. »Niemand hat etwas gesehen oder gehört oder weiß etwas. Sie alle sind vertrauenswürdige Männer. Ihr könnt mir glauben, dass sie die Wahrheit sagen.«
    Wahrscheinlich hatte Ohira Recht, doch Untergebene wussten oft von Dingen, die sie ihren Vorgesetzten verschwiegen. Aber Sano widersprach Ohira nicht. Wozu auch? Der Kommandant durfte ihm ein Gespräch mit den Wachen auf Deshima ohnehin nicht verweigern, und das wusste er. »Lasst uns jetzt die Umrundung der Insel beenden, ja?«, sagte Ohira.
    Nachdem sie die gesamte Küste der Insel abgegangen und auf die Hauptstraße zurückgekehrt waren, ohne dass Sano etwas Interessantes entdeckt hatte, sagte Ohira, einen Hauch von Schadenfreude in der Stimme: »Seid Ihr nun zufrieden?«
    »Vorerst. Als Nächstes werde ich mir Direktor Spaens Unterkunft anschauen.«
    »Hier entlang, sôsakan-sama , hier entlang!«, rief Iishino, der vor einem der Häuser stand und Sanos Bemerkung aufgeschnappt hatte. Er führte Sano und Ohira eine Treppe ins Obergeschoss hinauf und öffnete die Schiebetür.
    Als Sano das schummrige Zimmer betrat, nahm er als Erstes den ranzigen Geruch des Barbaren wahr. Er öffnete die vier Fenster – zwei wiesen nach vorn zur Straße, die zwei anderen zu einem Garten hinter dem Haus – und stellte fest, dass die Gitter unversehrt waren.
    »Die haben wir bereits überprüft«, sagte Kommandant Ohira, der im Türeingang stand, die Arme vor der Brust verschränkt.
    Diese Feststellung – in Verbindung mit seinen anderen Beobachtungen auf der Insel – ließ für Sano nur einen Schluss zu: Wenn Direktor Spaen von Deshima verschwunden war, ohne eine Spur zu hinterlassen, musste jemand von den japanischen Beamten, Dienern oder Wachsoldaten auf der Insel ihm geholfen haben. War diese Person ebenfalls ermordet worden? Doch Sano schob diesen Gedanken erst einmal beiseite und schaute sich die ungewöhnliche Aufteilung des Zimmers an.
    In einer Ecke befand sich ein Futon, der mit einer Decke überzogen war, auf einer niedrigen hölzernen Plattform. Also stimmt es, dass die Barbaren nicht auf der Erde schlafen, ging es Sano durch den Kopf. Auf einem Tisch mit langen Beinen lagen eine geschnitzte Pfeife aus Elfenbein und ein lederner Tabaksbeutel; daneben sah Sano eine Öllampe, ein zerknittertes Tuch, einen Eimer aus Keramik sowie eine Wanne – die Beweisstücke dafür, dass die Barbaren doch hin und wieder badeten. Sano betrachtete ein Rasiermesser und einen Kamm, zwischen dessen Zähnen ein paar gelbe Haare steckten. Im Spiegel über dem Tisch erblickte er – erstaunlich klar und deutlich – sein eigenes erstauntes Gesicht. Ein flaches, rundes Kästchen aus Gold, kleiner als Sanos Handteller, enthielt eine Miniaturausgabe jener Uhr, die er bei Statthalter Nagai gesehen hatte. Sano öffnete den Schrank an der gegenüberliegenden Wand des Zimmers.
    Im Inneren hingen Umhänge aus dunklem Stoff, Hosen, Übermäntel und weiße Hemden. Auf einem Regal darüber lagen zwei breitkrempige schwarze Hüte, und auf dem Boden des Schranks stand ein Paar glänzende schwarze Lederschuhe. In einer Truhe neben dem Schrank entdeckte Sano schwarze Strümpfe und seltsame weiße Hosen, Hemden, Umhänge und Mützen; Sano vermutete, dass es sich um die Unterwäsche und das Nachtzeug des Barbaren handelte. Außerdem fand er seltsamerweise drei kurze Stücke Seil, verdreht und ausgefranst, als wären sie einst verknotet gewesen.
    »Was sollen diese Stricke?«, fragte Sano seine Begleiter. »Fehlt hier irgendetwas?«
    Kommandant Ohira, der noch immer in der Tür stand, gab einen verärgerten Laut von sich. Dolmetscher Iishino zuckte die Achseln. »Die Barbaren haben seltsame Angewohnheiten«, sagte er, trat näher und durchwühlte Direktor Spaens Bekleidung. »Es ist alles da – bis auf einen Anzug. Den muss er auf seiner Flucht getragen haben.«
    Also hatte Jan Spaen seinen kurzen ›Ausflug‹ entweder geplant, oder er wollte mit leichtem Gepäck reisen. »Und was ist dort?«, fragte Sano und wies auf eine verschlossene Tür in der rückwärtigen Wand des Zimmers.
    Iishino öffnete die Tür, betrat einen angrenzenden Raum und machte auch hier die Fenster auf. »Direktor Spaens Schreibstube«, sagte er.
    Auf Sano, der

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