Die Spur fuehrt nach Tahiti
schubsen lassen.
Schon am nächsten Vormittag zog er in der Steglitzer Rubensstraße ein, und bereits von der ersten Stunde an fühlte er sich in seinem Hinterhauszimmer mit dem schmalen Balkon und dem halb verkrüppelten Baum im Hof so wohl wie ein Elefant, der sich bei brütender Hitze im Wasser aalt und mit seinem Rüssel Dusche spielt. Billige Miete, Nachbarn, die ihre Nase nicht in jeden fremden Briefkastenschlitz steckten, ein Hauswart, der bei jeder Gelegenheit freundlich grüßte, eine Kochnische und nagelneue Tapeten. Er hatte wirklich Glück gehabt.
Und bei der Mühlbachschen Scherzartikelfabrik war die Welt gleichfalls in Ordnung. Die Mitarbeiter mochten den strohblonden Hünen, machten hin und wieder Witze über seine vorhandene oder auch nicht vorhandene Million und waren sogar ein wenig stolz darauf, einen Burschen unter sich zu haben, der schon mehrfach durch die Schlagzeilen der Zeitungen gewandert war.
Manfred Zasche staubte Gartenzwerge ab, die in allen Größen und den unmöglichsten Modellen in endlosen Regalen herumstanden, verkaufte Zylinder, aus denen sich mit Hilfe eines doppelten Bodens angeblich aus dem Handgelenk schneeweiße Kaninchen zaubern ließen. Zwischendurch verpackte er für auswärtige Kunden noch Auftragszettel und Lieferscheine, knallrote Pappnasen, Perücken, falsche Bärte, täuschend echt nachgemachte kleine und große Tintenflecke aus Blech, mit denen man sich gegenseitig erschrecken konnte, Zuckerwürfel, die wie Fontänen lossprudelten, wenn man sie, nichts Böses ahnend, beim Kaffeeklatsch in eine Tasse gab, oder Fußmatten, die wie ein Dutzend Mäuse quietschten, sobald man sich die Schuhe auf ihnen abtreten wollte.
Wenn die Scherzartikelfabrik Ludwig Mühlbach ihre Rolläden herunterließ, tauchte er täglich in der „Melone“ auf, die er mit der Zeit zu seiner Stammkneipe gemacht hatte. Meistens war sein Freund, das schmale Bügelbrett mit den dicken Brillengläsern, in seiner Gesellschaft, der nach wie vor alles, was Manni betraf „gigantisch“ fand. Gelegentlich brachte Paule Schulz seine ganze Familie und auch den Schwiegervater mit.
„Nein wirklich“, sagte Manni häufig zu sich selbst, „so kann man es aushalten — notfalls eine halbe Ewigkeit.“
Diese halbe Ewigkeit dauerte dann allerdings nur etwa drei Monate lang. Genau bis zum 11. August, der auf einen Mittwoch fiel. Zasche hatte sich diesen Tag herausgesucht, weil ein paar politische Parteien zu einer Großdemonstration rund um den Ku’damm aufgerufen und andere Gruppen Rabatz angekündigt hatten mit der Drohung, daß diesmal keine Schaufensterscheibe ganz bliebe.
Da ist die Polizei bis zum letzten Mann auf den Beinen, hatte sich Manfred Zasche ausgerechnet. Dagegen war die damalige Stadtrundfahrt der Queen bloß eine Art Ostereiersuchen.
„Unser Vogel mausert sich“, berichtete Hauptkommissar a. D. Bemmelmann seinem Kollegen Papenbrock am Telefon und erzählte, was er aus seinem Versteck hinter den Balkonblumenkästen und zwischen den roten Geranien hindurch per Fernglas beobachtet hatte. Damit konnte er so ziemlich jede Ecke von Mannis Zimmer überwachen.
„Er ist heute mit einem größeren Karton unter dem Arm von der Arbeit zurückgekommen, hat den Schlüssel in seiner Zimmertür zweimal herumgedreht und sich dann sogleich ans Auspacken gemacht.“
„Was war in dem Karton drin?“ fragte Papenbrock ein wenig ungeduldig. „Mach’s nicht so spannend, Heinrich.“
„Unser Freund hat sich einen dunkelblauen Einreiher geleistet“, erwiderte Bemmelmann. „Er hat ihn sofort anprobiert, und zwar mit einem gleichfalls neuen weißen Hemd und einer neuen Krawatte. Er hat sich im Spiegel beguckt und hin und her gedreht wie ein Mannequin auf dem Laufsteg. Aber das wäre ja noch nicht weiter verdächtig. Was uns stutzig machen muß, kommt erst jetzt —“
„Ich höre“, sagte Papenbrock. Er zwang sich zur Ruhe. Aber die Finger seiner linken Hand trommelten nervös auf seinem Schreibtisch herum.
„Ja, du wirst es kaum glauben, auf einmal hat sich der Kerl eine dunkle Perücke über seine strohblonden Haare gestülpt“, fuhr Bemmelmann fort, „und anschließend klemmte er sich mit zwei Fingern, mehr oder weniger zur Probe, einen falschen Bart unter die Nase. Leider hat er seine Maskerade dann unterbrochen und die Gardine vor seinem Fenster zugezogen, so daß ich nur noch seine Silhouette sehen konnte. Obgleich mein Fernglas nicht von Pappe ist.“ Bemmelmann machte eine Pause und
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