Die Spuren der Seele
zwischen Dienen und Aufopferung zu finden. Einerseits sind diese Menschen aufgefordert, für eine Aufgabe, für ein Vorhaben zu brennen und dafür zu sorgen, dass diese Idee in der Welt Kreise zieht. Andererseits ist es genauso wichtig, sich dabei nicht zu verbrennen und nicht auszubrennen. Vielmehr geht es darum, eine wärmende Flamme bewusst am Leben zu halten.
Die Gefahr liegt bei dem Muster des Kreises einerseits im Fanatismus des Sichaufzehrens, etwa darin, seine (Lebens-)Kerze an beiden Enden zugleich anzuzünden und zu schnell abzubrennen. Das heißt, die Betreffenden wollen zu schnell zu viel (für sich) und verlangen zu viel von sich. Die Gefahr liegt andererseits auch darin, sich für andere aufzuopfern und sich aussaugen und im wahrsten Sinne des Wortes aufbrauchen zu lassen. Zu viel und zu wenig Ego können somit zum selben deprimierenden Endzustand des Ausgebranntseins führen.
Die vielen Ringe der konzentrischen Kreise geben wie bei einer Zielscheibe immer wieder Anreize, sich Ring um Ring der eigenen Mitte zu nähern. Dazu bietet die östliche Philosophie gute Hilfen: »Handeln um des Handelns willen und nicht für das Ziel« oder »Der Weg ist das Ziel«. Beides lenkt den Fokus vom fernen Ziel auf den jetzigen Moment. Nicht eigennützig und egoistisch für sich handeln, so lautet außerdem die Aufgabe, sondern handeln um der Sache willen – das Rad drehen, weil es gedreht werden muss, ohne Zweck- und Hintergedanken und Eigennutz.
Das Element Luft prägt das Fingerbeerenmuster des Baumes.
Falls der Kreis mit Mittelpunkt steht, droht auch die Gefahr, sich selbst als Mittelpunkt der Welt zu sehen. Die erlöste Aufgabe besteht darin, mit Freuden seine Energie in die Mitte zu stellen, und zwar für alle, für die Allgemeinheit, ohne aber sich selbst dabei aufzugeben. Der Pfauenaugenkreis mit vielen äußeren Kreisen um einen mittleren – eben im Sinne des Pfauenauges – gilt als Glückssymbol und wirkungsvolles Schutzzeichen.
Insgesamt werden sich Menschen mit vielen Kreisen an den Fingerbeeren relativ leicht im Leben tun, denn sie haben meist ständig sich selbst im Auge und dienen den eigenen Interessen. Wenn sie aber darüber nicht hinauswachsen, scheitert ihr Leben doch – oder wie Martin Buber sagt: »Der Mensch wird erst am Du zum Ich.«
Der Baum ist dem Luftelement zugeordnet, dem er entgegenstrebt, um seine Krone zu entfalten. Menschen mit diesem Siegel auf den Fingerbeeren haben die Aufgabe, ihren Weg zwischen Konzentration auf der einen und Differenzierung auf der anderen Seite zu finden. Sie sollten wie ein junger Baum lernen, sich zuerst auf den Stamm zu konzentrieren und erst später auf Verzweigung zu setzen. Die Signatur des umgekehrten T macht diese Anfangsphase deutlich und zeigt den einzuschlagenden Weg.
Die Gefahr liegt bei diesem Muster darin, sich im Sinne modernen Multitaskings auf zu vielen Ebenen auszubreiten beziehungsweise eine für den Stamm und die Wurzeln zu verzweigte, zu mächtig ausufernde Krone zu bilden oder aus urprinzipieller Sicht in merkurialer Verzettelung unterzugehen. Richard Unger spricht in diesem Zusammenhang von der Schule der Weisheit. Es gilt zu lernen, die Verzweigung der eigenen Persönlichkeitskrone immer an der Tragfähigkeit des dazugehörigen Stammes zu messen. Wer die verzweigten Möglichkeiten nutzt und dabei ein ausreichendes Maß an Konzentration bewahrt, kann sich auf vielen Ebenen erfolgreich etablieren.
Die andere Gefahr besteht darin, gar nichts zu riskieren und das Leben nicht zu wagen, sondern zu vermeiden, um nur ja keine Fehler zu machen. Oft kommen ein erheblicher Hang zur Perfektion und die Tendenz, sich überkritisch mit sich und der Welt auseinanderzusetzen, erschwerend hinzu. Die zugrundeliegende Angst kann dem Drang nach Weisheit im Wege stehen. Sie ist nur über Lebenserfahrungen zu überwinden.
Andere Umschreibungen der in diesem Siegel liegenden Gefahren wären, die Bäume in den Himmel wachsen zu lassen, ohne auf ausreichende Wurzeln zu achten, hoch hinaus zu wollen, ohne über genug Erdung zu verfügen, viel Ehrgeiz, aber kein Fundament zu haben, auf zu vielen Hochzeiten zu tanzen oder sich von allen verlässlichen Traditionen loszusagen. In diesen Fällen wird die Wurzelbildung zum Problem, die bei einem gesunden Baum der Ausbildung der Krone entsprechen und in Resonanz [2] zu ihr sein muss. Im Idealfall entwickelt sich aus den vielen verzweigten Wurzeln ein Stamm, in dem sich deren ganze Energie vereint, und erst aus
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