Die Staatsanwältin - Thriller
begeistert sein würde, wenn ein Angeklagter einen Deal schloss.
Richter Brown stellte die üblichen Fragen und zur Sicherheit noch ein paar mehr. Powell, das musste man ihm lassen, sah dem Richter in die Augen und beantwortete alle korrekt. Mir tat der junge Mann so leid, dass ich daran dachte, aus reinem Mitgefühl noch ein Jahr von seiner Strafe abzuziehen.
Brown verurteilte Powell zu zehn Jahren Gefängnis, davon fünf auf Bewährung, und der Junge dankte ihm tatsächlich dafür. »Ich habe meine Lektion gelernt, Euer Ehren. Das kann ich Ihnen versprechen.«
»Das hoffe ich«, sagte Brown.
Ich bemerkte, dass die Familie des Opfers gekommen war, um sich Powells Verurteilung anzuhören. Meine Aktenvermerke besagten, dass sie an Powells Reue glaubten und seinen Deal voll unterstützten.
Doch Powell war die einzige Erfolgsgeschichte an diesem Tag. Nachdem die anderen Angeklagten ihre Vergleiche abgelehnt hatten, rief Richter Brown die Pflichtverteidiger und mich nach vorn an die Richterbank.
»Was ist hier los?«, fragte er.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, antwortete ich. »Aber ich gedenke, es herauszufinden.«
Am Ende des Tages summte das ganze Büro von den Ereignissen des Morgens. Es wurde zum Running Gag. Meine Kollegen behaupteten, von mir ging Anti-Deal-Strahlung aus. Sie versicherten mir, sie würden mich nie wieder mit so einfachen Aufgaben vor Gericht schicken. Selbst Bill Masterson machte mit. Er rief mich an und sagte, er werde ein Notbudget für zwei neue Staatsanwälte beantragen müssen, wenn ich je wieder Deals vor Gericht verhandeln würde.
Die Witzeleien endeten am Mittwochnachmittag. Ronald Powell wurde tot in seinem Zellenblock im Gefängnis von Milton County aufgefunden. Die Häftlinge hatten es irgendwie geschafft, ihn vor den Sicherheitskameras abzuschirmen, während sie ihm die Zunge herausschnitten. Er verblutete, noch bevor die Wachen wussten, was passiert war.
Caleb Tate bekam das nicht persönlich mit. Er hatte am Mittwochmorgen seine Kaution hinterlegt und genoss bereits wieder das Leben in Freiheit.
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37
Die Zeitung brachte einen kurzen Artikel über den Mord im Gefängnis von Milton County. Er war auf Seite drei im Lokalteil vergraben und bot nicht viele Details.
Die Wachmänner schafften es, die Tatsache geheim zu halten, dass die Gefangenen Ronald Powell die Zunge herausgeschnitten hatten und dass Powell der einzige Angeklagte gewesen war, der sich am Dienstag schuldig bekannt hatte.
Meine Kollegen stellten eine Menge Theorien über die Weigerungen der anderen Angeklagten auf. Die Lieblingstheorie der meisten war, dass die Bandenchefs im Gefängnis herausgefunden hatten, dass ich diejenige sein würde, die die Deals vor Gericht vertreten würde. Als Vergeltung für meine sonstigen Weigerungen, Absprachen zu treffen, hatten sie vielleicht alle Angeklagten instruiert, die Deals zu sabotieren, die wir angeboten hatten. Als Powell nicht mitmachte, schnitten sie ihm die Zunge heraus.
Es war ein symbolischer Mord, eine Botschaft â daran bestand kein Zweifel. Aber was war die Botschaft?
Mittwochnacht schlief ich mit einer geladenen Kimber Pro Carry II Kaliber 45 neben dem Bett. Ich hatte sie in meinem dritten Studienjahr in einem Waffengeschäft in Gainesville gekauft, nachdem ich mit ein paar Mitgliedern des Zeugenschutzprogramms aneinandergeraten war. AuÃerdem achtete ich darauf, mich von den groÃen Fenstern im Arbeitszimmer meines Vaters fernzuhalten. Ich nahm keine Schlaftablette, weil ich Sorge hatte, dass ich nicht aufwachen würde, wenn jemand einzubrechen versuchte. Ich wusste, Justice würde wie verrückt bellen, aber wenn jemand es wirklich ins Haus schaffte, würde mein schwarzer Labrador nur versuchen, ihn zu Tode zu lecken. Zu meinem Schutz bevorzugte ich die Kimber.
Es war eine lange Nacht. Ich vermisste meinen Vater, dachte über Rafael Rivera nach, wollte in Tates Fall weiterkommen und wusste, dass mich vielleicht Bandenchefs im Visier hatten â ich stand so unter Strom, ich konnte kaum schlafen. Den nächsten Tag überstand ich nur mit Mühe, und am Donnerstagabend brauchte ich ganz dringend Schlaf. Kurznach Mitternacht gab ich schlieÃlich auf und warf zwei Schlaftabletten ein. Am Freitagmorgen kam ich zu spät zur Arbeit.
Bis Freitagmittag wusste ich, dass meine Erfahrung im Gerichtssaal in dieser
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