Die Staatsanwältin - Thriller
Beispiel?«
»Ich weiß es selbst nicht genau«, sagte L. A. Er sah mir mit einer Eindringlichkeit in die Augen, die ich noch nie gesehen hatte. »Aber Antoine Marshall kann nicht deine Mutter töten, deinen Vater verletzen und nach elf Jahren aus dem Gefängnis spazieren, nur wegen dieser Sache. So viel kann ich dir sagen.«
Wir analysierten die Lage über eine Stunde lang, nahmen jede Option auseinander, dachten alle Möglichkeiten durch. Wir kamen zu keinem Ergebnis, aber es fühlte sich gut an, darüber zu sprechen. Er sagte mir noch einmal, er habe keine Ahnung, wie ich dem Druck so gut standhielt. Er umarmte mich, ich ließ es zu, und es dauerte länger als eine reinfreundschaftliche Geste. Es fühlte sich richtig gut an, diese paar Sekunden lang seine Arme um mich zu spüren.
»Tu überrascht, wenn du am Montag die Urteilsbegründung siehst«, erinnerte er mich, als er sich von mir löste. »Und mach dir keine Sorgen wegen dieser anderen Sache. Wir bekommen das schon hin.«
Es wäre der perfekte Abschluss unseres Treffens gewesen, aber das echte Leben funktioniert anders.
»J-Lo!«, schrie er. Er hatte sie im Haus von der Leine gelassen und bemerkte jetzt einen gelben Fleck unter der Ecke des Esszimmertisches, direkt dort, wo Justice normalerweise zu meinen Füßen lag.
»Böser Hund!«, schalt L. A.
Er bestand darauf, die Pfütze wegzuwischen, und ich ließ ihn. Justice sah mich die ganze Zeit an, als wisse er nicht recht, ob er auch Ärger hatte. »Guter Junge«, sagte ich zu ihm und strich ihm über den Kopf.
L. A. schrubbte den Teppich, bis der Fleck verschwunden war.
»Sie ist manchmal ein bisschen eifersüchtig«, sagte er.
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54
Am Montag, dem 2. Juli, um 9.30 Uhr erhielt Mace James eine E-Mail vom Berufungsgericht Georgia mit der Urteilsbegründung zu Antoines Fall als Anhang. Mace sprach ein rasches Gebet und klickte mit schweißnasser Hand auf die Maus.
Das Gericht hatte sein Gesuch abgelehnt und bestätigte das Hinrichtungsdatum 7. August. Und die Richter hatten ein paar harsche Worte für Mace zu sagen.
Die Strafverteidigung hat die Pflicht, ihren Mandanten mit Eifer zu verteidigen. Aber diese Pflicht hat ihre Grenzen. In diesem Fall hat die Verteidigung diese Grenzen überschritten und kam einer absichtlichen Täuschung des Gerichts gefährlich nahe. Das Gericht versteht, dass sich der Strafverteidiger durch die Umstände in einer Zwangslage sah, aber seine Rolle als Beauftragter desGerichts verbietet diese Art des Betrugs und der Gewalt, die er offenbar anwandte, um die eidesstattliche Erklärung von Mr Cooper zu bekommen. Sein Vorgehen wirft ein schlechtes Licht auf den Berufsstand der Justiz und zeigt eine mangelnde Urteilsfähigkeit, die dieses Gericht beunruhigend findet.
Mace kämpfte mit widerstrebenden Gefühlen, während er die Urteilsbegründung las. Frustration, weil die Richter die Wahrheit hinter den Ereignissen nicht anerkannten. Scham angesichts der scharfen Kritik. Hilflosigkeit, weil er einen unschuldigen Mann im Todestrakt vertrat und alles, was er tat, die Sache nur zu verschlimmern schien. Aber hauptsächlich fühlte er sich ausgelaugt. Er hatte Jahre damit verbracht, mit dem Kopf gegen eine Wand nach der anderen zu rennen. Und jetzt hatte er nur noch ein paar Wochen.
Mace stieg in sein Auto und fuhr nach Jackson, um seinem Mandanten die Nachricht persönlich zu überbringen. Bis er dort war, den Telefonhörer in die Hand nahm und Antoine Marshall auf der anderen Seite der Scheibe ansah, war er niedergeschlagen.
»Das Berufungsgericht Georgia hat unser Gesuch abgelehnt«, sagte Mace. Er schob einen Ausdruck der Urteilsbegründung durch den Schlitz unter dem Glas. Antoine nahm ihn wortlos und drehte sich seitwärts, damit er ihn auf Armeslänge von sich weghalten konnte. »Ich habe meine Lesebrille in der Zelle gelassen«, sagte er.
Mace sah zu, wie Antoine blinzelnd und langsam las, ab und zu grunzte und den Kopf schüttelte, während er die Seiten umblätterte. Er las quälend lange, verschlang langsam jedes Wort. Mace konnte sehen, wie die Hoffnung aus seiner Miene wich und einer grimmigen Gewissheit Platz machte, dass seine Tage auf dieser Erde jetzt auf sechsunddreißig beschränkt waren.
Als er fertig war, legte Antoine die Urteilsbegründung auf die Ablage vor sich und wandte sich wieder Mace zu. Tränen traten ihm in die Augen.
»Es tut mir leid«, sagte Mace.
»Bei den anderen Typen im Todestrakt – ihren Anwälten ist es
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