Die Staatsanwältin - Thriller
unserer Windschutzscheibe. Hinter uns schossen zeitversetzt Raketen vom Boden hoch und explodierten in einem Wolkenpilz aus Rot und Blau.
»Man muss kein menschlicher Lügendetektor sein, um zu wissen, dass eine Frau, wenn sie ›nichts‹ sagt, eigentlich meint: ›Frag weiter, bis du es herausgefunden hast.‹«
Ich strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. »Mal sehen … mein Vater ist gestorben, die Arbeit stresst mich, der Mörder meiner Mutter soll in einem Monat hingerichtet werden und unser Fall gegen Caleb Tate hängt am seidenen Faden. Abgesehen davon ist es ein super Unabhängigkeitstag.«
L. A. wandte sich mir zu. »Aber das ist nicht alles, oder?«
Er hatte recht. Ich fühlte mich, als säße ich mit einem Gedankenleser im Auto. Trotzdem würde ich ihm nicht von dem Blatt erzählen, das mir an diesem Tag bei dem Rennen zugesteckt worden war. Von meinen Verdächtigungen. Von der Spannung zwischen einer wachsenden emotionalen Bindung an ihn und der Saat des Misstrauens, die in meinen Gedanken Wurzeln geschlagen hatte.
»Mir geht es gut.« Ich warf ihm einen Seitenblick zu. Sein Gesichtsausdruck sagte mir, dass er mir nicht glaubte, aber er verstand. Ich wollte nicht darüber reden.
Das Radio spielte »Only in America«. Feuerwerkskörper explodierten über uns. Ein Typ mit dem guten Aussehen eines Filmstars saß neben mir.
Er streckte die Hand über die Mittelkonsole, und ich zögerte, bevor ich meine hineinlegte.
»Deine Hände sind kalt«, sagte er.
»Kalte Hände, warmes Herz.«
»Das hätte eigentlich mein Spruch werden sollen.«
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56
Für Mace James war der Kampf schon halb gewonnen, als er die Erlaubnis des Gerichts bekam, den Test überhaupt durchzuführen. Er hatte seinen Antrag versiegelt eingereicht, denn die Testergebnisse würden vertraulich bleiben, wenn sie Antoine Marshall nicht entlasten konnten.
Die Generalstaatsanwaltschaft hatte ihre Eingabe ebenfalls versiegelt eingereicht und darin alle Gründe aufgezählt, weshalb der Test unzulässig war.
Doch Mace hatte seine Hausaufgaben gemacht. Der Test namens Brain Electrical Oscillation Signature Test , abgekürzt BEOS, war bereits bei einer Gerichtsverhandlung in Indien angewandt worden, um zwei Urteile wegen Mordes zu bestätigen. Die Technologie war von angesehenen Neuropsychologen auf der ganzen Welt getestet und begutachtet worden. Mace hatte seinem Antrag eidesstattliche Erklärungen von mehreren von ihnen beigefügt.
Der Test bestand aus einer einzigartigen Anwendung eines EEGs, die es ermöglichte, Erfahrungswissen vom konzeptuellen Wissen zu trennen. Ein Verdächtiger wurde an bis zu zweiunddreißig Elektroden angeschlossen, zwei davon an den Ohrläppchen und der Rest an verschiedenen Stellen der Kopfhaut. Der Verdächtige saß dann schweigend und mit geschlossenen Augen da, während ihm eine Reihe von Aussagen vorgelesen wurde.
Eine Software zeichnete die per EEG gemessenen elektrischen Signale auf, mit denen das Hirn auf die Aussagen reagierte. Weil Erfahrungswissen über ein Ereignis nur durch persönliches Erleben entsteht, ist die Hirnaktivität beim Erinnern daran eine andere, als wenn der Verdächtige nur von anderen von den Ereignissen hört. Anders ausgedrückt: Der Test konnte zwischen Erinnerungen unterscheiden, die durch Erfahrung entstanden waren, und solchen, die durch die Erzählungen anderer erzeugt wurden.
Mace hatte einen der besten Neuropsychologen des Landes für die Durchführung des Tests angeheuert. Vielleicht aus dem Widerstreben heraus, Mace James noch ein Thema zu liefern, über das er sich in einer Revision beschweren konnte, hatte das Gericht schließlich eingewilligt. Doch es machte auch deutlich, dass es sich ein Urteil darüber vorbehielt, ob es die Testergebnisse letztlich als beweiskräftig anerkennen würde. Diese Entscheidung musste noch einen Tag warten.
Jetzt, neunzehn Tage vor Antoine Marshalls geplanter Hinrichtung, saß Mace James in einem geschlossenen Konferenzraum im Diagnostic and Classification Prison in Jackson und beobachtete eine Szene, die direkt aus einem Buch von George Orwell hätte stammen können.
Antoine Marshall trug eine Haube mit den zweiunddreißig Elektroden, die seine Hirnströme maßen. Er hatte die Augen geschlossen und lauschte hoch konzentriert auf die Aussagen, die Dr. Rukmani Chandar ihm vorlas. Sie begannen damit, die Normalreaktion festzustellen – »Der Himmel ist blau« –, und Chandar studierte die Reaktionen auf dem
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