Die Staatsanwältin - Thriller
ich kurz inne und holte tief Luft.
»Caleb Tate ist ein Kontrollfreak«, sagte ich. »Und was er nicht beeinflussen kann, das tötet er.«
Ich hoffte, diese Zeile würde mir einen Einspruch von Tate einbringen und mein Argument unterstreichen. Ich hatte schon eine Erwiderung parat – Sehen Sie, er versucht sogar, mein Eröffnungsplädoyer zu beeinflussen . Aber er war zu schlau, um den Köder zu schlucken.
»Ich trage meine Haare kurz«, sagte ich und begann, auf und ab zu gehen, während ich sprach. »Ich brauche morgens nur fünf Minuten im Bad. Ich war immer schon Sportlerin, und ich hatte nach dem Trainingnicht immer Zeit, meine Haare aufwendig zu frisieren. Als ich mich erst an die Bequemlichkeit gewöhnt hatte, mochte ich diesen Stufenschnitt einfach. Die Frauen unter Ihnen wissen, unsere Haare sind ein großer Teil dessen, was uns ausmacht.«
Sie sahen mich an, als sei ich verrückt. Sie erwarteten etwas Dramatischeres – ein Schuldeingeständnis, DNS, vielleicht die Aufzeichnung des Notrufs. Aber Frisuren?
Ich hatte einen Bildschirm für die Geschworenen aufgebaut. Ich drückte einen Knopf, und Rikki Tate erschien. Computermonitore am Tisch der Verteidigung und an der Richterbank zeigten dieselbe PowerPoint-Präsentation.
»Das ist Rikki Tate vor einem Jahr.« Ich zeigte ein weiteres Bild. »Und ein Jahr davor.« Noch eins. »Das ist von vor fünf Jahren … Und dieses hier ist aus der Zeit, als sie und Caleb Tate sich kennenlernten.«
Jetzt erschienen alle Fotos auf dem Bildschirm aufgereiht. »Sie werden bemerken, dass Rikki Tate eine andere Philosophie als ich hatte, was Frisuren anging.« Die Fotos zeigten alle Rikkis lange, dunkle Haare. Auf einem Bild waren sie zu einem strengen Zopf gebunden, aber auf den anderen hingen sie ihr über die Schultern, voll und akribisch gebürstet. Sie hätte Shampoowerbung machen können.
»Rikki Tate war Bühnenkünstlerin. Und zu ihrem größten Kapital gehörten ihre langen Haare.«
Eine andere Aufnahme von Rikki leuchtete auf dem Bildschirm auf. Es war eine Nahaufnahme ihres Gesichts aus der Todesnacht. Man konnte das Erbrochene sehen, und ihre Haut sah blass und spröde aus. Sie hatte Ringe unter den Augen und sah zehn Jahre älter aus als auf dem Foto nur ein Jahr zuvor. Jetzt erschienen die beiden Fotos nebeneinander auf dem Bildschirm.
»Ein halbes Jahr vor ihrem Tod ließ sich Rikki Tate zum ersten Mal in ihrem Leben ihre langen Haare abschneiden. Ihre Freunde aus der Kirche werden Ihnen erzählen, warum. Aus dem Nichts heraus fing dieser Mann, Caleb Tate, an, ihr zu erzählen, wie gern er schon immer Frauen mit kurzen Haaren gemocht habe. Wie sexy es aussähe. Dass sie es auch ausprobieren solle. Er war regelrecht besessen davon. Er wollte – er musste – ihre Frisur kontrollieren.«
Ich sah die Geschworenen an und verzog das Gesicht, als dächte ich über etwas nach. »In jeder Ermittlung gibt es hundert scheinbar unwichtige Beweisstücke wie dieses. Dinge, die nicht recht zu passen scheinen. Und so beschloss ich, eine kleine Recherche durchzuführen und mir ein paar der Frauen anzusehen, die Caleb Tate geliebt hat.«
Ich zeigte der Jury Bilderstrecken von Caleb Tates ersten zwei Ehefrauen und drei seiner Freundinnen. Sie hatten alle langes, fließendes Haar. »Vielleicht liebte der Angeklagte wirklich kurze Haare. Vielleicht hatte er nur Pech und keine der kurzhaarigen Frauen interessierte sich für ihn. Oder vielleicht …« Ich zögerte, und ich wusste, die Geschworenen hörten mir zu. »Vielleicht hat er seine Frau ein halbes Jahr lang mit Drogen vollgepumpt, bevor er ihr eine Überdosis verabreichte und sie tötete. Dazu musste er sichergehen, dass ihre Haare gerade die richtige Länge hatten, damit es so aussah, als hätte sie diese Drogen über einen sehr langen Zeitraum eingenommen. Anders ausgedrückt: Sie mussten kurz genug sein, damit wir bei der Untersuchung der Haare nur ein halbes Jahr zurückgehen können und über die Zeit davor nur Mutmaßungen anstellen können.«
Ein paar Minuten lang erklärte ich, wie Haartests funktionierten. Dann ging ich zu einem Flipchart und listete die Drogen auf, die man in Rikki Tates Blut gefunden hatte. Ich trat zurück, besah mir mein Werk und wiederholte die Bezeichnungen der Substanzen wie für mich selbst. Ich wandte mich der Jury zu.
»Es ist wie in einem Rätsel – was gehört nicht in diese Reihe. Codein und Oxycodon sind Betäubungsmittel und können in der richtigen Dosierung tödlich
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