Die Staatsanwältin - Thriller
ein neues Rechtssystem, nach dem Prozesse in zwei Phasen unterteilt wurden. Die erste Phase legte die Schuld oder Unschuld des Angeklagten fest. In der zweiten Phase wurde, wenn nötig, festgestellt, ob es eine ausreichende Schwere der Schuld gab, um die Todesstrafe zu verhängen. Das Oberste Bundesgericht stimmte diesem Entwurf zu, und die Hinrichtungen wurden wieder aufgenommen.
In einem dritten Fall, McCleskey gegen Kemp , der 1987 entschieden wurde, erwogen die Gerichte, ob die Todesstrafe für verfassungswidrig erklärt werden solle wegen der angeblich diskriminierenden Art, wie sie in Georgia angewandt wurde.
McCleskeys Anwälte hatten über zweitausend Mordfälle untersucht und statistisch nachgewiesen, dass Angeklagte, denen die Tötung weißer Opfer vorgeworfen wurde, in elf Prozent der Fälle die Todesstrafe bekamen, aber Angeklagte, die schwarze Opfer getötet hatten, in nur einem Prozent der Fälle. Dieses Ungleichgewicht war besonders ausgeprägt in Fällen mit schwarzen Angeklagten und weißen Opfern, wo in 22 Prozent der Fälle die Todesstrafe verhängt wurde. Wenn die Rollen vertauscht waren – weiße Angeklagte und schwarze Opfer – fiel die Rate von 22 auf 1 Prozent.
Sowohl das Berufungsgericht von Georgia als auch der US Supreme Court hatten die Statistiken analysiert und beschlossen, sie genügten nicht, um die Todesstrafe für verfassungswidrig zu erklären. Die Hinrichtungen gingen weiter.
Als ich durch den Metalldetektor des Gerichtsgebäudes ging, dachte ich an diese Fälle und andere dieser Art, die ich an der Uni untersucht hatte. Ich hatte die Todesstrafe immer verteidigt, denn ich verstand das Bedürfnis eines Opfers nach absoluter Gerechtigkeit. Jetzt fragte ich mich, ob das Berufungsgericht Georgia, das bereits berühmt war für seine Rechtsprechung zur Todesstrafe, in unserem Fall neue Wege einschlagen würde. Würden zukünftige Generationen von Jurastudenten den Fall Marshall gegen Georgia analysieren und die Vorzüge und Nachteile derTodesstrafe diskutieren, ohne dabei das persönliche Opfer zu beachten, den so ein Fall von den Opfern forderte?
Ich hoffte nicht. Ich wünschte mir verzweifelt, dass diese ganze endlose Geschichte bald vorüber war, dass der Richter befand, Coopers eidesstattliche Erklärung genüge nicht, um das Spiel zu wenden, und dass Antoine Marshall seinen unberechenbaren Marsch in Richtung Todeskammer fortsetzen konnte. Ich wollte, dass dieser Fall eine Fußnote in den Lehrbüchern wurde, keine Kapitelüberschrift.
Ich kam volle fünfzehn Minuten zu früh in dem eleganten Gerichtssaal an, in dem die Berufungsverhandlungen stattfanden. Es gab sieben lederbezogene Stühle mit hohem Rücken auf dem Eichenpodium im vorderen Teil des Raumes. An den eichenvertäfelten Wänden hingen Porträts ehemaliger vorsitzender Richter. Der Teppichboden war dick und dunkelgrün, und die große Wand hinter der Richterbank war, im Gegensatz zu den holzvertäfelten Wänden an den Seiten des Saales, mit Granit verkleidet. Die Wand trug eine einfache lateinische Inschrift als erhabenes Relief: Fiat justitia, ruat caelum . Ich hatte es nach dem ersten Mal, als unser Fall hier verhandelt worden war, vor mehr als acht Jahren, nachgeschlagen. Es bedeutete: »Der Gerechtigkeit soll Genüge geleistet werden und wenn der Himmel einstürzt«. Ich betete, das möge heute der Fall sein.
Mace James und ein paar andere Anwälte saßen vor dem Geländer im vorderen Bereich links. Mace sah mit seiner massigen Gestalt, dem kahlen Kopf und dem tätowierten Hals immer fehl am Platz aus in einem Anzug. Als Teenager hatte mich Caleb Tates Selbstdarstellung immer wütend gemacht, wenn er Antoine Marshall im Prozess verteidigte. Als Erwachsene ärgerten mich die Argumente von Professor James mindestens genauso.
Caleb Tate hatte wie ein geschickter Schauspieler gewirkt – ich wusste, er hatte eigentlich nicht an Antoine Marshalls Unschuld geglaubt, aber er hatte seine Arbeit zu tun und wusste, wie man eine Show inszenierte. Aber für Mace James war es mehr als ein Job; er glaubte wirklich an Marshalls Unschuld. Wenn ich auch seinen Kampfgeist bewunderte, brachte mich doch seine blinde Loyalität seinem Mandanten gegenüber und seine Weigerung, dessen Tat anzuerkennen, zur Weißglut.
Bei der Anhörung überraschte es mich, zu sehen, dass Caleb Tate direkt hinter dem Anwaltstisch saß. Tate hatte in den Berufungsverhandlungen für Antoine Marshall bis jetzt keine Rolle gespielt, konnte aber
Weitere Kostenlose Bücher