Die Staatsanwältin - Thriller
anscheinend einer Anhörung nicht widerstehen, wenn die Presse dabei war.
Ich nahm auf der ersten Bank auf der rechten Seite Platz, in der Hoffnung, die Richter des Berufungsgerichtes würden ein Familienmitglied des Opfers im Verfahren bemerken. Drei Berufungsanwälte der Staatsanwaltschaft steckten an ihrem Tisch die Köpfe zusammen. Einer der Jüngeren bemerkte mich und sagte Hallo. Ich stand auf, und alle drei schüttelten mir über das Geländer hinweg die Hand und dankten mir, dass ich gekommen war. Sogar Andrew Thornton, das älteste Teammitglied.
Der Händedruck von Thornton war unangenehm, und er wirkte noch steifer als normal. Und dies war der Mann, der für mich und meine Familie Gerechtigkeit erreichen sollte.
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Die Richter kamen pünktlich im Gänsemarsch herein, und der Gerichtsdiener rief den Saal zur Ordnung. Es war eine beeindruckende Versammlung, und ich fragte mich, ob ich je die Selbstsicherheit und die Fähigkeit haben würde, hier einen Fall zu verhandeln. Mace James jedenfalls schien unbeeindruckt von der Kulisse.
Er stellte sich ohne eine einzige Notiz hinters Rednerpult und sah die sieben Richter direkt an, die gerade mal sechs Meter von ihm entfernt saßen. Eine rote Digitaluhr an der rechten Seite der Richterbank zeigte die Zeit an, die von seinen dreißig Minuten Redezeit übrig war. Aus meiner Perspektive konnte ich ihn nur im Halbprofil sehen – die entschlossene Kieferpartie, die Tätowierung am Hals, den Hinterkopf und seine breiten Schultern, die sich spannten, als er die Hände seitlich aufs Pult stützte.
»Mit Erlaubnis des Gerichts vertrete ich den Berufungskläger, AntoineMarshall, in seinem Mordprozess. Vor sechzig Tagen stand der Staat Georgia nur drei Stunden davor, einen unschuldigen Mann hinzurichten. Zum Glück ist dieses Gericht eingeschritten.«
James ließ sie einen Augenblick darüber nachdenken, und ich murmelte lautlos den lateinischen Satz vor mich hin: » Fiat justitia, ruat caelum .«
Nach dieser kurzen Pause fuhr James mit Zuversicht fort, beharrte auf Argumenten, die die Gerichte meiner Meinung nach bereits berücksichtigt hatten: die ungebührliche Streichung von drei Afroamerikanern von der Geschworenenliste durch Bill Masterson, die Fragen von Richterin Cynthia Snowden, durch die die Zeugenaussage meines Vaters rehabilitiert worden war, ihre Weigerung, die Ergebnisse des Lügendetektortests zuzulassen, und ihre Weigerung, die Aussage von zwei Expertenzeugen zuzulassen.
»Ich versuche hier nicht, alte Geschichten aufzuwärmen«, sagte James. Darauf konnte ich nur höhnisch schnauben, und die Richter sahen aus, als teilten sie meine Skepsis. »Aber ich finde, wir sollten uns die eidesstattliche Erklärung von Mr Cooper im Gesamtzusammenhang dieses Falles ansehen. Es ist hier nicht so, dass die Aussage eines Gefängnisspitzels nur ein belastendes Element in einem Berg von Schuldbeweisen wäre. Wenn Sie Coopers Aussage weglassen, bleibt nur die umstrittene Identifizierung eines Afroamerikaners durch einen Augenzeugen, der den Angeklagten bei einer Gegenüberstellung im Zeugenstand vor Gericht nicht bestimmen konnte.«
»Aber, Herr Anwalt«, unterbrach ihn die vorsitzende Richterin. Sie war eine Konservative, die ich zu den vier Stimmen zählte, die wir für eine Entscheidung gegen Marshall brauchten. »Mr Tate hat Freddie Cooper im Prozess ins Kreuzverhör genommen und ihn so diskreditiert, dass der Staatsanwalt Cooper in seinem Schlussplädoyer kaum noch erwähnte. Wie können Sie das ausklammern und behaupten, Coopers Aussage sei das Herzstück der Argumentation der Staatsanwaltschaft gewesen?«
»Ich sage nicht, dass sie das Herzstück war, Euer Ehren. Aber wir wissen nicht, wie sehr sich die Jury auf ihn gestützt hat. Und das ist der Punkt. Wie können wir sagen, dass die Staatsanwaltschaft ihre Anklagepunkte unabhängig von Coopers Aussage jenseits aller begründeten Zweifel bewiesen hat? Mit einem unglaubwürdigen Augenzeugen? OhneDNS, ohne Geständnis, ohne unterstützendes Beweismaterial? Dieser Fall schreit nach einem Wiederaufnahmeverfahren.«
»Wie praktisch«, schoss Richter Sherman zurück, der noch nicht lange Richter und vorher Staatsanwalt gewesen war. »Der einzige Augenzeuge ist jetzt tot, wenn ich das richtig sehe, und Ihr Mandant will ein Wiederaufnahmeverfahren.«
Genau , dachte ich. Es war frustrierend, dazusitzen und zuzuhören, wie James so eloquent erörterte, warum ein Mörder freikommen
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