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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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dort sah, fand er keine Erklärung. Es war eine Vision, die er weder einordnen
noch als unsinnig abtun konnte, nicht einmal im Kurzzeitgedächtnis.
    Was er sah, ähnelte einer aufgeplatzten Naht, einem Riss durch die Zeit, einer Welt, die aus den Fugen geraten war.
    Und es hatte die Gestalt eines Gesichts, das außerordentlich schön war – und außerordentlich wütend.
    Doch Jack vergaß gleich wieder, was er gesehen hatte.
    Glaucous blickte zu seiner verängstigten Gefährtin hinüber. Wie durch einen Geistesblitz wurde ihm klar, wie sehr Penelope sich fürchtete und dass sie Bescheid wusste. Sie hatten einen fatalen Fehler gemacht. Und unabhängig davon, dass sie schon sehr lange zusammen waren und Penelope einige Stärken und Talente besaß, würde sie diejenige sein, die dran glauben musste. Nicht zum ersten Mal würde Glaucous eine geschätzte Partnerin opfern.
    Der Sturm konnte nicht mehr warten. Jetzt schlug er mit all seiner angestauten Kraft zu, verausgabte seine Energie auf einmal, offenbarte alles, was in ihm verborgen war. Eine schwarze Wolkenwand senkte sich auf sie hinunter. Die Windschutzscheibe zersplitterte. Die Dunkelheit traf sie wie ein Hammerschlag.
    Der Van kippte und schleuderte kurze Zeit auf zwei Rädern die Straße entlang, so dass Jack schmerzhaft gegen die Wellblechverkleidung prallte. Als das Metall infolge der Bodenreibung heiß wurde, brannte Jacks Rücken, obwohl er immer noch im Sack steckte. Er wälzte sich herum, trat um sich und schob den Kopf und einen Arm durch die Öffnung.
    Gleich darauf raste der Van gegen eine Leitplanke und kippte erneut auf die Seite. Während Jack in der Luft hing, zog er die Knie an und rollte sich zu einer Kugel zusammen – mehr
konnte er nicht tun, um sich vor einem Arm-, Bein- oder Genickbruch zu schützen.
    Als sich die Sicherheitsgurte der Vordersitze ruckartig strafften, wich bei beiden Passagieren laut hörbar die Luft aus den Lungen.
    Der Van überschlug sich und landete auf dem Dach.

49
Wallingford
    Als Daniel die Stufen zum Haus hinaufrannte, entdeckte er den vierten Pfosten des Netzes: einen kleinwüchsigen Mann, der wie gescheckt aussah. Er wartete auf der Veranda vor dem Bungalow. Wegen des Wolkenbruchs konnte Daniel kaum das Haus ausmachen und schon gar nicht die Züge des Mannes erkennen, doch auf ihn wirkte er wie ein Schatten mit bleichem Zentrum, zusammengeschrumpft zur Größe eines hässlichen Gnoms.
    Der Wolkenbruch hatte das hohe Gras im Garten niedergemäht, jetzt lag es wie schicksalsergeben da. Daniel war bis auf die Haut durchnässt. Eisstücke, die vom Gehweg und Hausdach abprallten, trafen seinen Kopf und die Schultern, so dass Blut an seiner Stirn herunterrann und sich mit dem Regen vermischte. Für einen Mann, der es gewohnt war, im Regen herumzuspazieren, hielt er sich nicht gerade gut. Im Süden spielten Blitze über den Himmel; dort konzentrierte sich die Suche seiner Meinung nach – dort wurde das Hauptziel gejagt.
    Nimm lieber nichts als sicher an. Vielleicht sind sie doch hinter dir her.
    Instinktiv streckte er die Fühler aus. Alle Weltlinien waren verzerrt und ineinander verwoben. Noch schockierender war, dass er ein Echo vorbeischweben sah, einen flüchtigen Blick auf einen Wiedergänger von Charles Granger erhaschte, der zurück zur Schnellstraße schlurfte und gar nicht wusste, was ihm zugestoßen war.
    Gleich darauf sah er noch jemanden: Fred. Sich selbst, wie er von einer Barriere, die nur wenige Minuten in der Zukunft lag, zurückprallte. Der angekränkelte Teil ihrer Geschichte näherte sich rapide einer undurchdringlichen Wand, und Daniel hatte keine Ahnung, was dann passieren würde.
    Der gescheckte Zwerg kam von der Veranda auf ihn zu – und veränderte sich dabei. Er verlor die feste Gestalt. Daniel hatte so etwas schon früher gesehen, an den schlimmen Orten: Formen und Gestalten, die sich jeder Dimension widersetzten. Während er die Stufen hinunterstieg, wuchs er plötzlich so, als reflektiere ihn ein Zerrspiegel. Je näher er Daniel kam, desto größer wurde er. Und desto mächtiger. Sobald die Erscheinung bis zu ihm vorgedrungen war, würde sie ihn so hoch überragen, dass sie bis zu den schwarzen Wolkenwirbeln reichte.
    Als Daniel hinter sich blickte, erkannte er die anderen Männer in ihren altmodischen Anzügen wieder. Jetzt duckten sie sich vor dem Regen und dem Eis, also waren sie offenbar doch von menschlicher Gestalt und schmerzempfindlich.
    Die Luft kühlte ab, so dass Nebel vom

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