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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Nachrichten, könnte man sagen, aber immerhin Neuigkeiten!«
    Die Lippen des jüngeren Mannes zuckten. Er blickte auf und taxierte den Maschendrahtzaun, die Mauer und das Lagerhaus aufs Genaueste. Schließlich bohrten sich seine Augen in Jacks. »Ich bin Daniel«, sagte er. »Hier gibt es noch Zeit, Echtzeit, als hätte jemand eine Blase über das Gebäude gestülpt … Wir konnten diese Zeitblase aus meilenweiter Entfernung bläulich schimmern sehen – vielleicht ist hier die Tscherenkow-Strahlung am Werk.«
    »Sind Sie Freunde? Oder Partner?«, fragte Bidewell, machte jedoch keine Anstalten, das Tor zu öffnen.
    »Einfach ausgedrückt wohl weder-noch«, erwiderte Glaucous. »Bitte, Bidewell. Jeder Atemzug tut mir weh. Was wir da draußen gesehen haben, war ein Mischmasch von Schicksalen und Orten, ebenso miteinander vermanscht wie die Hackfleischfüllung einer Pastete, und hinter jeder Ecke wurde es schlimmer. Das hier ist nicht mehr Ihre Stadt, ist nicht mehr unsere Erde, wie ich leider annehmen muss.«
    Als Daniel ein graues Kästchen aus der Jackentasche zog, den Deckel öffnete und Jack und Bidewell das matt schimmernde Wolfsauge zeigte, hüpfte Bidewells Adamsapfel auf und ab. »Jack, gehen Sie die Rampe hoch, greifen Sie rechts hinter die Tür und drücken Sie auf den Knopf, der das Tor öffnet. « Seine Stimme klang brüchig. »Ich fürchte, unser Dritter im Bunde ist eingetroffen.«
    »Darf ich auch hereinkommen?«, fragte Glaucous und fand mühsam zu seinem schmierigen Lächeln zurück, dem Grinsen eines Jungen, der in der Gosse groß geworden ist. »Ich stehe zu Diensten und habe mitgebracht, was Sie dringend benötigen.«
    »Mal sehen«, erwiderte Bidewell. »Doch wie lange wir unsere Gastfreundschaft noch aufrechterhalten können … kann man nicht wissen.«
    »Immer noch derselbe alte Bidewell!«, brüllte Glaucous begeistert und applaudierte. »Unser Dank ist Ihnen gewiss, Sir. Wir zwei beiden haben uns bestimmt viel zu erzählen, schließlich haben wir in all den nun leider verlorenen Jahrhunderten viel Spaß miteinander gehabt und viele Scherze miteinander getrieben. Das waren noch lustige Zeiten!«
    »Sie kennen ihn?«, fragte Jack voller Wut und Argwohn.
    »Allerdings«, erwiderte Bidewell, sammelte seinen Speichel und spuckte vor Glaucous aus, dessen Augen sofort so tief in die Höhlen sackten, dass sie an winzige Haifischaugen erinnerten. Trotz der Dreckschicht auf seinem Gesicht war zu erkennen, dass es rot anlief. Er presste die Lippen zusammen. »Sir!«, murmelte er.
    »Machen Sie das Tor auf!«, befahl Bidewell. »Uns bleibt nichts anderes übrig. Die Steine haben sich hier zusammengefunden und bringen mit, wen sie wollen.«

VIERZEHN NULLEN

65
Der Zerstörte Turm
    Die warme Dunkelheit rings um Jebrassy lichtete sich in einer Richtung, so dass ein heller, grün eingefasster Pfad zu erkennen war, auf dem eine weiße Gestalt entlangging – eines von zahlreichen Epitomen des Bibliothekars. Auch dieses Epitom hatte kein Gesicht, wirkte auf Jebrassy aber nicht mehr einschüchternd. Während Jebrassy sich anzog, wartete es geduldig. »Wir gehen nach oben«, erklärte es schließlich mit der vertrauten und dennoch schwer einzuordnenden Stimme, die Jebrassy schon ewig zu kennen glaubte, ohne sich genau an sie zu erinnern. »Du hast dich erholt und bist fast bereit.«
    »Ist sie schon aufgebrochen?«, fragte Jebrassy und beeilte sich mit dem Anziehen. »Sind sie bereits unterwegs?«
    Das Epitom gab Jebrassy einen Wink, ihm zu folgen, und führte ihn abwechselnd durch dunkle und leere, helle und möblierte Räume. Überall hielten sich weitere weiße Gestalten auf.
    Es fiel Jebrassy schwer, die Architektur des Turms zu durchschauen. Wenn er nach oben blickte, sah er eine Art Dach, doch je nachdem, wie nahe er am Rand des Pfads ging und wie er
seine Augen bewegte, schien das Dach sich zu heben oder zu senken. Waren das da oben Stützbogen oder frei schwebende Konstruktionen ohne offensichtlichen Nutzen, vielleicht Verzierungen? Oder bewegte er sich in einem weiteren Traum?
    Das Epitom ging ihm ein ganzes Stück voraus; ihm kam es so vor, als wären es mehrere Kilometer. Nach dem unruhigen Schlaf, in dem ihn ständig Informationen überflutet hatten, empfand er den langen Spaziergang als angenehm.
    Sie näherten sich einer geschwungenen hohen Wand, in die große Fenster eingelassen waren – ähnlich der Mauer, an der er zum ersten Mal dem Angelin begegnet war. Jetzt nahm das Epitom ein Gesicht an,

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