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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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vorbereitete, später und entsprechend ausgerüstet an einem Marsch teilzunehmen und ins Chaos vorzustoßen. Offenbar interessierte dieser Zeittakt allein den Hüter. Allerdings hoffte er immer noch auf das Interesse des Bibliothekars, der all das vor Ewigkeiten geplant hatte. Aber Große Eidola vergaßen schnell …
    Die Wetterzyklen hatten sich in letzter Zeit wieder eingependelt, und die Zeit tickte so munter vor sich hin – an manchen Tagen funktionierte die Erinnerung sogar fast wieder so wie vorgesehen –, dass manche in der Kalpa den Eindruck hatten, die alten Lebensweisen und Regeln könnten sich wieder einspielen. Doch das würde kaum geschehen. Die großen Realitätsgeneratoren schwächelten. Meistens waren es nur winzige Verschiebungen, die sich bemerkbar machten, manchmal aber auch kleinere oder gar größere Sprünge. Öfter kamen beängstigende Eingriffe vor: Bruchstücke der vom Typhon geprägten alptraumartigen Leere brachen bis zur Kalpa durch. Dutzende von Ghentuns Zöglingen, die so, wie sie lebten – auf den Basisebenen der Stadt –, überaus verletzlich waren, waren vernichtet worden oder spurlos verschwunden.
    Etwas im Chaos schien die Jagd eröffnet zu haben.
    In der Dunkelheit vor der Dämmerung, in Rufweite der Brücke über den Tenebros, säuberten Gruppen von Schiedsrichtern schläfrig eine brachliegende Flur und sperrten sie danach
mit Seilen ab – eine Vorbereitung für die Spiele, die Ghentuns Zöglinge kleine Kriege nannten. Unsichtbar, jedoch nicht gänzlich unbemerkt von seinen Schützlingen, bahnte Ghentun sich den Weg durch die Menge, die sich inzwischen gesammelt hatte. Auf einem Hügel fand er einen guten Aussichtspunkt, zog die Knie an und nahm Platz. Früh genug würde er weiterziehen müssen.
    Hier ging es um ein anderes Spiel, das wichtiger und viel gefährlicher war, nicht nur für den Nachwuchs, sondern auch für Ghentun. Doch am Ende würden sie dabei vielleicht den Schlüssel finden, um den Typhon zu besiegen. In der Zwischenzeit taten die Bewohner der Ebenen ihr Bestes, so zu leben, wie sie es immer getan hatten: tapfer, närrisch und weise. Sie waren zähe Geschöpfe und schafften es in jeder Situation, ihr Vergnügen aus dem Leben zu ziehen.
     
    Das Gefecht auf der Flur lief hervorragend, darin waren sich die meisten Anwesenden einig. Während über den Erdwällen und Weiden immer noch Bodennebel hing, hatte der althergebrachte Waffengang begonnen. Fünfhundert Zöglinge, gleichmäßig auf vier Gruppen aufgeteilt, traten beim Klang der von den Schiedsrichtern geblasenen Hörner zum Wettstreit an. Die laute, zackige Fanfare hallte vom hohen, hellen Kunsthimmel wider.
    Jebrassy, der in seiner purpurroten, aus Kielschwertern hergestellten Rüstung stark und schneidig wirkte, machte mit acht ähnlich ausgestatteten Mitstreitern einen Ausfall, um die Chancen für einen Durchbruch an der linken Flanke des Gegners besser einschätzen zu können. Als sie auf andere Kämpfer trafen, kam es im dichten Nebel zu einem herrlichen Gerangel.
    Während der Schlacht, bei der Jebrassy mehr Schläge austeilte als einsteckte, hatte er fortwährend das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er Wolkenfetzen, plötzliche Luftströmungen und Nebelgebilde, die sich aushöhlten, wanden und danach wieder verschwanden, und das lenkte ihn ab, so dass er nicht so gut kämpfte, wie er es sich gewünscht hatte. In Anbetracht des Schadens, den er auch so schon anrichtete, war das vielleicht ein Glück.
    Genau wie Jebrassy legten seine Kameraden, darunter Khren, bei diesem Gefecht großen Kampfgeist an den Tag und schwangen ihre Stabwaffen so energisch, dass nur wenige Gegner den Mut hatten, sie herauszufordern, und sich viele bei den Schiedsrichtern beschwerten, die mürrisch loszogen, um gegen Exzesse einzuschreiten.
    Die alten Kämpfer hockten mit zusammengekniffenen Augen und resigniertem Blick da. Die guten alten Zeiten sind vorbei, bemerkten sie kopfschüttelnd. Manche fanden, die Kämpfe würden nicht gewaltsam genug ausgetragen, andere, es mangele den jungen Kämpfern an Ehrgefühl und Barmherzigkeit. Nur selten waren die Alten sich in irgendeiner Sache einig.
    Die Schlacht zog sich über den ganzen Tag und dauerte bis zum frühen Abend, begleitet von Gebrüll, Flüchen, Kampfliedern, Tumult und Schlägen. Haare wurden ausgerissen und Speichel flog herum, bis der künstliche Himmel sich verdunkelte, einen Braunton annahm und sich das ersehnte

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