Die Stadt am Ende der Zeit
tiefere Stimme gerade – Glaucous.
Bidewell räusperte sich. »Sie haben mir keinen Gefallen damit getan, den schlechten Hirten hierherzubringen.«
Daniel verzog die Lippen und lächelte Jack zu.
»Drei Räume«, fuhr Glaucous fort. »Drei Schicksalswandler. Wie vor langer Zeit beschrieben, mein Freund. Ich spiele dabei eine positive Rolle.«
Darauf folgte eine unverbindliche Bemerkung von Bidewell, die sie nur teilweise verstehen konnten. Mit lauter Stimme warf Glaucous schließlich seinen Köder aus: »Ich habe mich stets gefragt, warum und wie – durch was – diese Kinder so werden, dass sie Erinnerungen aufwirbeln und hinter sich her ziehen. Warum setzt man sie solchen Qualen aus? Wir beide quälen sie, Conan. Sie versprechen ihnen Antworten, die wir ihnen gar nicht geben können.«
»Und Sie werfen den Angelhaken nach ihnen aus und ziehen die Schnur ein, sobald sie angebissen haben«, entgegnete Bidewell.
»Und falls sie mir durch einen Sprung entkommen, tauchen sie bei Ihnen auf.«
»Und falls sie nicht entkommen, liefern Sie diese Kinder der …«
Mit angewiderter Miene zog sich Daniel von der Tür zurück. »Wir können keinem von beiden trauen«, flüsterte er.
Jack legte den Finger an die Lippen und presste das Ohr gegen den Stahl.
»Whitlow hat mir mal von Ihren Jahren in Europa erzählt, lange vor meiner Zeit«, sagte Glaucous. »Was für ein Jux, über die Alpen und quer durch das alte Italien Manuskripten hinterherzujagen, an denen Generationen von Mäusen geknabbert haben. Und bestimmt haben Sie auch nach verschollenen Kindern gesucht.«
»Whitlow war der Jäger, nicht ich.«
»Na ja, ist ja auch egal. Er ist jetzt da draußen und stolpert bis ans Ende seiner Tage in einem abgewrackten Haus herum, an dem er beigelegt hat und gestrandet ist. Am besten vergessen wir ihn. Aber immerhin hatten Sie mit vielen berühmten Leuten zu tun. Zum Beispiel mit Petrarca, der sich nach den Tagen junger Liebe dem Sport widmete, Klassiker wieder auszugraben. Sie und Whitlow waren bei ihm, als er starb, nicht wahr?«
»Ich habe nicht nach dem verlorenen Geist der Antike gesucht, sondern nach den Wundern der Unmöglichkeit.«
Glaucous schnaubte zweimal in sein Taschentuch. »Whitlows Geschichten haben mich fasziniert.« Er streckte die Hand hoch, an der Schleim klebte, und stocherte mit dem dicken Zeigefinger in der Luft herum. »Boccaccio, der so obszöne Geschichten erzählte, sühnte es damit, dass er nach Texten von Tullius suchte. Beide hatten ein feines Gespür für verschollene – oder perverse – Geschichten.«
»Bringen Sie sich auf den aktuellen Stand. Tullius ist jetzt allgemein als Cicero bekannt.«
Glaucous grinste. »Will damit ja nur sagen, dass es mich überrascht, Sie an dieses Lagerhaus gefesselt wiederzufinden.«
Bidewell stand auf, um nach dem Ofen zu sehen.
»Wein mögen Sie offenbar immer noch«, bemerkte Glaucous. »Mochten ihn ja von jeher. Mr. Whitlow …«
Bidewell warf die eiserne Ofenklappe so heftig zu, dass sie schepperte.
Glaucous schürzte die Lippen, trommelte mit einer Hand auf sein Knie, blickte auf, kniff sich in die Nase, schnaubte erneut und sah aus den Augenwinkeln zu Bidewell hinüber.
»Whitlow hat die Falle für Iremonk aufgestellt, und zu seiner Unterstützung ist der Nachtfalter aufgetaucht. Ich hatte niemals solche Hilfsmittel zur Verfügung. Stand immer am Rand, war stets gezwungen, das Wachs aufzufangen, das von all den traurigen Tranfunzeln unserer Nachtseite heruntertropfte, und deren jämmerliche Dochte zu kappen. Meine Gefährtin …« Seine Miene verdüsterte sich. Um seine Lebensgeister wieder zu wecken, schlug er sich mit der Faust auf das Knie. »Kam der Beute wirklich sehr nahe, hatte Mr. Jack Rohmer, den wunderbaren jungen Schicksalswandler, schon am Haken. War schmerzlich nahe am Ziel. War stets blitzschnell mit dem Netz.«
»Hatte Ihre Gebieterin etwa zu viel Angst, um Ihr Geschenk anzunehmen?«
Glaucous zog es vor, das Thema zu wechseln. »Wie stabil ist Ihre Festung, Conan?«
»Hat feste, sorgfältig angelegte Fundamente.«
»Ich nehme an, Sie haben die sauberen, reinen Räume vorbereitet. In diesem weiten Land findet man so viel leichter Leere als auf dem alten Kontinent, wo jeder Zentimeter Boden voller Knochen steckt. Wie lange stehen die Räume schon leer?«
»Hundert Jahre.«
»Reicht das aus? Mr. Whitlow hat mal behauptet …«
»Uns steht der Abschluss bevor, Glaucous. Sehr viel hängt jetzt von Ihrer Auftraggeberin
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