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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Texte Teil eines neuen Kosmos werden, wird sich alles verändern. Das Unsinnige wird dann denselben Wert haben wie die Geschichten. Denn ein Multiversum bildet sich größtenteils aus unlesbarem Unsinn heraus, und niemand kann je mit Gewissheit sagen, welcher Text tatsächlich unnütz ist.«
    Jebrassy schlug sein Buch auf, um darin zu lesen, doch die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen.
    »Übereile nichts, junger Freund«, warnte ihn das Epitom. »Es gibt einen zuverlässigen Indikator, ein verlässliches Merkmal für das Reale.« Alles in der Umgebung begann herumzuwirbeln und vor Jebrassys Augen zu verschwimmen. Doch die Worte des Epitoms prägten sich deutlich in sein Gedächtnis ein, während er wie von einem heftigen und zugleich sanften Wind die Wendeltreppen hinuntergetragen wurde, an den Regalen entlang, nach unten, zur Seite, und noch weiter nach unten, bis zu der großen Tür. Kaum hatte er sich hindurchgezwängt, fiel sie zu.
    Die Stimme des Epitom folgte ihm bis zu dem kleinen goldenen Schreibtisch: »Wenn du innerhalb eines Babels ein Buch aufschlägst, ist der Text makellos rein: schwarze Zeichen auf weißem Papier. Nichts wird die Texte verunstalten oder dich von ihnen ablenken. Doch da draußen, in dem, was vom alten Universum noch übrig ist und zum neuen Universum werden wird, im künftigen Gelände , wirst du ein Buch aufschlagen,
eine Seite lesen … und irgendwann wird ein Lebewesen, ein winziges, verblüffendes, bizarres Geschöpf, über diese Seite, über diese Geschichte krabbeln. Es wird dich erschrecken, bis du es lächelnd erkennst. Es ist lebendig, nur ein kleiner Butzemann, der im Buch umgeht, ein Insekt, aber dieses Insekt denkt, lebt sein eigenes Leben, und am auffälligsten ist, dass es nicht liest . Es ist nicht Teil des Archivs. Unverhofft und voller Leben spaziert es über den Text.«
    »Bis ich das Buch zuschlage.«
    »Ach was, das wirst du nicht tun. Dieses Geschöpf ist das wichtigste Symbol derjenigen, die die Fäden spinnt und zusammenführt, die für Erinnerungen sorgt, und damit auch dafür, dass sich die Zeit entrollen kann. Dieses Geschöpf ist eine Freundin Mnemosynes, der Mutter aller Musen, und das erste Vorzeichen eines neuen Kosmos. Dort entfaltet sich wahre Schöpfung, die lebt und über bloße Wörter hinwegspaziert. Und die Spinne zwischen den Zeilen erweckt diese Schöpfung zum Leben.«

72
Das Chaos
    Sie hatten keine Möglichkeit herauszufinden, wie weit sie gegangen waren, aber die Kalpa konnten sie nicht mehr sehen. Die drei Bione und der Zerstörte Turm waren verschwunden und selbst vom Talgrund aus nicht mehr auszumachen. Für den Rückweg würden sie eine andere Route wählen müssen, falls sie je zurückkehren konnten oder es überhaupt wollten.
    Der graue messerscharfe Strahl, der über ihre Köpfe strich, löste ein Prickeln in Tiadbas Schädel aus. Pahtun hatte gesagt, der Strahl sei vom Zeugen ausgeschickt, man müsse ihm möglichst ausweichen.
    Auch die Sternenschiffe – die Hunderte oder Tausende von Schiffsrümpfen, die sie vom gegenüberliegenden Hügelkamm aus gesehen hatten – waren inzwischen verschwunden. Als sie den Talgrund endlich erreicht hatten, waren sie nur auf Reihen schwärzlicher ausgezackter Scherben gestoßen, auf Umrisse länglicher Gehäuse, die von Verwehungen grauen und schwarzen Schotters fast verhüllt wurden. Von wegen Entdeckerfreude und Befriedigung der Neugier!
    Unten legten sie eine Ruhepause ein, stellten einen Realitätsgenerator auf und erzeugten eine Blase der Wärme und des Schutzes, während sie ihre Kapuzen lösten, die Panzer ablegten, sich an den Stellen kratzten, wo es juckte, und versuchten, so etwas wie Normalität herzustellen.
    Finna und Herza spielten ein kleines Hüpfspiel, schaufelten Vertiefungen in die Verwehungen und legten abwechselnd graue und schwarze Kieselsteine zu Kreisen aus.
    Von der Blase aus, die der kleine Generator erzeugte, verzerrte sich ihr Blick auf die Umgebung auf beunruhigende Weise. Die zerstörten Städte auf der anderen Talseite verschwammen so vor ihren Augen, als wären es Wasserspiegelungen. Nur wenn sie die Schutzanzüge und Helme wieder anlegten und den Generator abschalteten, konnten sie die riesigen halbkugelförmigen Gehäuse und deren frei liegende Ebenen einigermaßen deutlich erkennen.
    Es ermutigte Tiadba ein wenig, dass die Licht verströmenden Poren jetzt seltener und in größeren Abständen voneinander
auftraten. Sie mussten es nicht mehr mit so vielen

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