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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Szene, den früheren Dialog vermutlich in allen Einzelheiten wiederholen.
    Ginny zog allein weiter, ging auf die zu ewigem Schweigen verurteilten, versteinerten Riesen zu, die von den Berggipfeln ins Tal starrten und alles beobachteten, ohne jemals etwas zu sehen.

94
    In Tiadba wuchs ein furchtbarer Verdacht. Nun waren sie so weit gekommen und hatten nur einen einzigen Gefährten verloren, nämlich Perf, am Anfang ihres Marsches, und dennoch fühlte sie sich Nataraja keinen Schritt näher. Darüber hinaus wurde sie das Gefühl nicht los, dass ihnen ein schreckliches Verhängnis drohte. Schlimmer noch: Allmählich misstraute sie sogar dem Leitstrahl der Kalpa, dem pulsierenden Summton, der durch ihre Helme drang, wenn sie auf dem richtigen Weg waren, und schwächer wurde, wenn sie vom vorgegebenen Kurs abwichen. Eine böse Vorahnung lauerte stets im Hintergrund ihrer müden Gedanken.
    Im Schutz des tragbaren Generators legte die Gruppe auf einem umgekehrten Höhenrücken eine Ruhepause ein. Von vorn betrachtet, glich dieser Rücken einem Hügel, doch aus anderer Perspektive einem Tal. Was daran liegen mochte, dass das Licht ihnen hier in jeder Hinsicht Streiche spielte und Trugbilder erzeugte, die selbst die Visiere ihrer Schutzanzüge nur geringfügig ausgleichen und korrigieren konnten. Von der Talseite aus hatten sie Ausblick auf einen breiten, nur wenig begangenen Passweg, der geradewegs in eine weitläufige Sandebene inmitten hoher, zerklüfteter Berge führte. Auf dem Pass sahen sie hin und wieder Gestalten vorbeihuschen, die sich geschmeidig und nahe am Boden bewegten und schließlich hinter Felsvorsprüngen verschwanden – eine andere Variante der Schweigenden. Sie konnten jedoch niemanden entdecken, der die ganze Strecke bis zur Sandebene zurücklegte.
    Zu allen Seiten, wie achtlos weggeworfenes Spielzeug in die Berge eingebettet, ragten riesige erstarrte Gestalten auf. Ihre Gesichter, sofern man hier überhaupt von Gesichtern reden konnte, waren einem grünlichen Bauwerk zugewandt.
    Pahtuns Stimme meldete, dies könne das Tal der Toten Götter sein, das man gelegentlich vom Zerstörten Turm aus habe sehen können. Keine Version von Pahtun habe das Chaos jemals so weit erforscht. »Inmitten der Berge liegt das Haus des Grünen Schlafes. Allerdings hat es sich vermutlich verändert und in ein Trugbild oder eine Tarnung verwandelt, hinter der sich die alte Rebellenstadt Nataraja verbirgt. Vielleicht seid ihr trotzdem nahe am Ziel, falls es sich überhaupt noch lohnt, Nataraja zu finden.«
    Als sie schließlich eine Ruhepause einlegten, besser gesagt: die Glieder lockerten, meinte Khren, er habe auf der anderen Talseite in unbestimmter Entfernung eine Bewegung bemerkt. »Hat ausgesehen wie ein Insektenschwarm, der über den Rand des Tals schwirrt. Vielleicht sind es weitere von diesen armen orientierungslosen Wiedergängern.« Während Tiadba in diese Richtung starrte und versuchte, sich von den Tricks und Täuschungsmanövern des Lichts nicht blenden zu lassen, erhaschte sie einen kurzen Blick auf einen winzigen Punkt, von dem ein bläuliches Strahlen ausging. Ein so grelles Strahlen, dass es ihren Augen trotz des Filters im Visier wehtat.
    Etwas später entdeckte Khren erneut seinen »Insektenschwarm«, und auch Macht, Nico und Denbord waren sich darin einig, dass es weitere Wiedergänger sein mussten: Zehntausende in einer Zeitschleife gefangene Marschierer, die ihre verzweifelten Versuche, zur Stadt zu gelangen, endlos wiederholten. Eine ernüchternde Perspektive, dass Nachgezüchtete
wie sie selbst, die schon so weit vorgestoßen waren, jetzt in einer Zeitschleife festsaßen und siegesgewissen Illusionen anhingen, wie Nico annahm. »Vielleicht glauben sie sogar, sie seien so gut wie am Ziel. Und das durchleben sie wieder und wieder – eine wirklich hinterhältige Falle.«
    Herza und Frinna hörten zu, ohne selbst etwas beizusteuern. Seit geraumer Zeit – gemessen an den Zyklen des Feuerbogens, der früheren Sonne, die sich offenbar ausgedehnt hatten – hatten sie sich kaum noch an den Gesprächen beteiligt.
    Die Gruppe hatte keine Möglichkeit einzuschätzen, wie lange sie bereits unterwegs war und welche Entfernungen sie zurückgelegt hatte. Selbst Pahtuns Stimme wusste keine Antwort darauf.
    »Wir haben es halbwegs ins Nirgendwo geschafft.« Nico ließ sich in eine Felsspalte fallen und presste die Finger, die in Handschuhen steckten, gegen beide Seiten des Helms. Schon seit vielen Zyklen konnten

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