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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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weiß viel darüber. Solche Wirbel bringen alles im Chaos noch weiter durcheinander. Sie sind deshalb gefährlich, weil sich alle Kräfte in ihrer Umgebung konzentrieren. Es bilden sich neue Pässe heraus, die Diener des Typhon sammeln sich, und die Gefangenen wachen auf, nur um noch schlimmer geknechtet zu werden. Ein solcher Wirbel bringt rapiden Wandel und viel Unbekanntes mit sich.«
    »Weitere Monster?«, fragte Frinna, schmiegte sich an Herza und zog Denbord zu ihnen herüber, der sich nicht dagegen wehrte.
    Macht hatte sich umgedreht und einige Schritte von der Gruppe entfernt, um einen Blick auf die Landschaft zu werfen, die sie durchquert hatten.
    »Alles schrumpft jetzt noch mehr zusammen!«, rief er. »Ich kann die Kalpa sehen. Und da ist ja auch der Zeuge!«
    Als Tiadba sich umwandte, merkte sie, wie ihr schwindelig wurde. Das Licht hatte sich verzerrt und beschrieb schraubenartige Schleifen. Gut möglich, sogar sehr wahrscheinlich, dass das Chaos wie ein Ballon, aus dem die Luft entweicht, in sich
zusammenfallen würde. Wenn sie alle einfach abgewartet hätten … Wäre es dann wirklich nötig gewesen, so weit zu laufen, um an diesem Ort anzukommen?
    »Wir sind auf einem Pass!«, schrie Frinna.
    Die Felsen ebneten sich ein und verwandelten sich in eine zähe Masse, in der die Stiefel der Marschierer zu ihrer Bestürzung sofort steckenblieben. Offenbar sanken sie jetzt zusammen mit dem eingeebneten Boden zur Talsohle hinunter. Ringsum taten sich Spalten in den Bergen auf; gleichzeitig bildeten sich zahlreiche Passwege heraus, die auf das grünliche Bauwerk in der Talmitte zuliefen.
    Khren hob die letzte Waffe, die ihnen geblieben war, die Klave, doch ehe er sie bedienen konnte, peitschte irgendetwas heran und schlug sie ihm aus den Händen.
    Jede Fluchtmöglichkeit war versperrt.
    Schon ragten Schatten über ihnen auf. Halbblinde Augen huschten hierhin und dorthin, sondierten die Umgebung, zerquetschte, flache Gesichter neigten sich zu ihnen hinunter. Und die schlanken Glieder dieser hohen, gewölbten Körper, die Glieder, mit denen sie sich auf den Pässen vorwärtsbewegten und deren Oberfläche durchstießen, nahmen sie in die Zange.
    Wie gelähmt sah Tiadba zu, wie ein Gefährte nach dem anderen blitzschnell von zuckenden Klauen gepackt und in die Lüfte getragen wurde. Und während sich die Opfer hin und her wanden, behielten diese Klauen sie fest im Griff.
    Der sonderbarste und größte der Schweigenden – er hatte drei miteinander verbundene Gesichter, die sich vier weißliche glasige Augen mit stecknadelkopfgroßen schwarzen Pupillen teilten – beugte sich über sie, glotzte sie an und griff nach ihr.
Sein Arm mündete in einer Klaue, die an Dornengestrüpp erinnerte.
    Von der Mitte des Tals drang jetzt ein entsetzliches Kreischen herüber. Es klang so, als hätte man unzählige verlorene Seelen dazu gezwungen, in Jubel auszubrechen.
    Dazu gezwungen, Freudengesänge anzustimmen .
    In den Bergen ringsum erwachten die erstarrten Riesen zu etwas, das die Bezeichnung Leben nicht verdiente und das Begriffsvermögen eines Nachgezüchteten überstieg. Zögernd zuckelten sie von den Bergen ins Tal und blieben unten wie auf Kommando stehen, um den Himmelswirbel über dem grünen Bauwerk zu mustern, vielleicht auch, um sich mitten hineinzustürzen.
    Tiadba sah, wie ihren Gefährten die Schutzanzüge weggerissen wurden. Und dann war sie an der Reihe. Zuerst entblößte der Schweigende mit den drei Gesichtern ihre Arme und Beine, während seine vier Augen sich ständig verdrehten und zuckten; danach zerrten die mit Dornen gespickten Klauen an ihrem Helm, der genau in dem Moment aufriss und nachgab, als Pahtuns Stimme sich mit einer letzten Botschaft meldete: »Das hier ist nicht euer Marschziel. Der Leitstrahl …«
    Tiadba spürte keine Schmerzen, nur eine Art Vakuum, das ihr als Erstes alle Hoffnung aus der Seele sog, danach ihr Inneres sondierte, Unnützes zur Seite schob … und das fand, wonach es gesucht hatte.
    Deine Schwester.
    Es war keine Stimme und auch keine Erscheinung … Dieses Wesen verkörperte die Leere an sich, die schlimmste vorstellbare Leere. Und Sprachlosigkeit, denn dieses Wesen besaß keine
Stimme. Stattdessen gebrauchte es Tausende anderer Stimmen, um seine Botschaft zu übermitteln.
    Ihr werdet euch nicht miteinander verbinden.
    Man wird eure Geschichten niemals erzählen.
    Tiadbas Gefährten waren nicht tot, nicht einmal sonderlich verändert. Sie kämpften sogar noch, auch

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