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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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sie die Luft im Freien nicht mehr atmen.
    »Was sind das für Gestalten in den Bergen da drüben?«, fragte Shewel.
    »Alpträume«, erwiderte Denbord. »Perf hat Glück gehabt. Ihm hätte das hier ganz und gar nicht gefallen.«
    Tiadba setzte sich neben Denbord und Nico, der nachdenklich wirkte, soweit sie sein Gesicht durch die angestaubte, golden getönte Visierscheibe ausmachen konnte. Der Schutzanzug bot inzwischen kaum noch irgendwelche Erklärungen an. »Ich glaube, ich weiß, was das ist«, bemerkte Nico zurückhaltend. »Es ähnelt Vitrinen, in denen Beute zur Schau gestellt wird, zum Beispiel Trophäen aus einem der kleinen Kriege. Nur sind diese Trophäen viel größer.«
    »Wie das?«, fragte Khren.
    »Wer hat die Trophäen denn gesammelt?«, fragte Macht gleichzeitig.
    »Seit unserem Aufbruch aus den Ebenen haben wir viel gesehen«, erwiderte Nico. »Da draußen im Chaos sind wir Hochgewachsenen begegnet, aber auch Erscheinungen, die Nachgezüchtete sein mögen oder auch nicht. Wir wissen, dass Leute nicht unbedingt wie wir aussehen müssen, heute nicht und schon gar nicht in früheren Zeiten. Und deshalb … Die Welt jenseits der Ebenen war einst größer, als wir uns das vorstellen können. Wir müssen einfach mal weiterdenken, an all diese Menschen … an all die vielen Völker, die so unterschiedlich sind, alle fremdartig und trotzdem irgendwie wie wir , so wie es die Geschichten in Tiadbas Büchern erzählen, falls sie wahr sind …«
    »Jedenfalls wirken sie wie wahre Geschichten«, warf Khren ein.
    »Aber sie widersprechen einander«, entgegnete Shewel.
    »Stimmt«, sagte Nico. »Aber stellt euch doch mal vor … Blickt doch wenigstens ein einziges Mal über den Horizont eines Nachgezüchteten hinaus und denkt an die Außenwelt . Denkt an all die Zeit, die vergangen ist, und an all diese Leute. Denkt daran, wie unterschiedlich sie gewesen sein müssen. Denkt daran, wie der Typhon alles niedergebrannt und zum Schrumpfen gebracht hat, wie er voller Hass mit den Dingen gespielt und sie zugleich zerstört hat.«
    »Entweder voller Hass oder ohne jede Empfindung«, sagte Khren.
    Nico nickte. »Der Typhon stellt die größte denkbare Leere dar. Denkt an all die früheren Zeiten, an all die Geschichten,
die wir nie gehört haben, an all die Leute, die diese Geschichten erlebt haben und überhaupt nicht wie wir aussahen. Große und Kleine – Riesen, die größer waren als die Hochgewachsenen, oder Leute, die kleiner waren als irgendjemand, den wir kennen, und sonderbarer als alles in der Kalpa. Dazwischen liegen unzählige Schlaf- und Wachzyklen, und dennoch sind sie wie wir …« Er atmete tief aus, um seinem Kummer Luft zu machen. »Vielleicht waren einige von ihnen tatsächlich wie Götter. Aber sie alle wurden besiegt. Man hat ihnen ihre Geschichten geraubt oder diese Geschichten verstümmelt und verbrannt. Aber Ebenbilder von ihnen, vielleicht sogar ihre Körper, wurden eingesammelt, hierhergebracht und in den Bergen als Trophäen zur Schau gestellt. Möglicherweise nur, um uns abzuschrecken. Doch wenn wir es auf diese Weise betrachten, sind sie keine toten Götter, sondern einfach irgendwelche Leute, genau wie wir.«
    »Kann gut sein, dass wir da draußen direkt neben ihnen landen«, sagte Khren. »Als weitere Trophäen.«
    »Dann hätten wir unsere Familie um uns«, erwiderte Nico.
    Tiadba spürte, wie ihr die Brust eng wurde und sie nach Luft schnappen musste.
    »Trotzdem sind sie unheimlich«, sagte Herza leise.
    »Falls sie aufstehen und durch die Gegend geistern, vergessen sie vielleicht, dass wir Verwandte sind«, ergänzte Frinna. »Müssen wir denn so nah an sie heran?«
    Tiadba setzte sich auf und stellte ihr Visier genauer auf etwas ein, das sie über dem Tal entdeckt hatte: Dort sammelte sich eine Wolke, die sich vor den Feuerbogen legte, ein Dunstvorhang, der vom aufgewühlten Himmel nach unten fiel. »Seht ihr das alle?«, fragte sie.
    Sie sammelten sich auf den schroffen Felsen, während ihre Helme sich auf unterschiedliche Perspektiven einstellten und sich bemühten, ein bestimmtes Muster am Himmel zu erkennen oder sich ein Bild von der Wolke oberhalb des grünlichen Bauwerks in der Talmitte zu machen.
    »Sieht aus wie ein auf dem Kopf stehender Berg, der einfach so am Himmel hängt«, sagte Khren.
    »Ein Eisberg«, meinte Denbord.
    »Ein Tohuwabohu«, meldete sich Pahtuns Stimme. »Könnte gefährlich sein.«
    »Was ist ein Tohuwabohu?«, fragte Tiadba.
    »Niemand in der Kalpa

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