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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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bekam. (Der Dekorateur kann sich sonst wohin scheren!)
    All diese Figuren waren Trophäen. Konserviert und zur Schau gestellt, nachdem sich irgendetwas auf eine widerliche Jagd durch die Galaxien begeben und dabei Musterexemplare erbeutet hatte.
    Ginny lief ein Schauer über den Rücken.
    Als sie nochmals zweimal um sich selbst kreiselte – insgesamt hatte sie jetzt sechs Umdrehungen zurückgelegt –, stand sie wieder vor der ersten Schlucht und den ihr schon vertrauten Figuren. Allerdings hatte sie noch immer keine Lust, sie persönlich zu inspizieren.
    Persönlich mochte hier etwas ganz anderes bedeuten als gewohnt.
    Eine so leichte Übung wie das Rotieren auf ihren Zehenspitzen brachte das ganze Tal dazu, wie eine drehbare Servierplatte in einem chinesischen Restaurant zu kreisen. (Meine Güte, welche Kraft von mir ausgeht!)
    Es gab drei Eingänge zum Tal der Toten Götter. Sie nahm an, dass sie gleichmäßig über den von den Bergen gebildeten Trichter verteilt waren, drei Eckpunkte auf einem seltsamen überdimensionalen Dreieck bildeten.
    Das ist der Raum des Typhon. Oder die Art Raum, in den ein sterbendes Universum stürzt.
    Welchen Eingang sollte sie nehmen?
    Jeder Eingang, so viel war ihr klar, würde sie in einer einzigartigen, eigenständigen Spirale in die Trügerische Stadt führen, wo ihre Traumschwester wartete. Andere Menschen mochten hier durch andere Eingänge eintreten und anderen Spiralen folgen, doch sie würden sich niemals begegnen, einander niemals sehen, denn sowohl die Zeit als auch der Raum des Typhon trennten sie voneinander.
    Dieser Gedanke machte ihr zu schaffen. Seit ihrem Aufbruch aus dem grünen Lagerhaus hatte sie die ganze Zeit gehofft, Jack und vielleicht auch Daniel würden kommen, um sie von ihren ständigen Dummheiten abzuhalten. Stets wählte sie ja geflissentlich den falschen Weg, der unvermeidlich in die Katastrophe führte. Jack erschien ihr wie das genaue Gegenteil: Er neigte eher dazu, auf möglichst angenehme Weise zu überleben, wenn nicht sogar ein wirklich glückliches Schicksal zu wählen.
    Und Daniel …
    Aus Daniel wurde sie nicht schlau. Er ist keine ganze Zahl, sondern eine irrationale.
    Er benutzt ein irrationales Dezimalsystem.
    Ach je, was soll das denn heißen?
    Aber die beiden würden die Trügerische Stadt zweifellos durch andere Eingänge betreten, und das bedeutete, dass sie Ginny niemals finden würden.
    Ginny musterte die Wächter mit zusammengekniffenen Augen, zwang sich dazu, sie so zu sehen, wie sie wirklich waren: ein aufeinander abgestimmtes Paar, beide ausgestattet mit einem Kreis aus zehn oder mehr Augen rings um ein ansonsten menschliches Gesicht, die Lippen und Wangen zu einem seltsamen
Ausdruck verzerrt. Der Kopf saß ohne Hals auf einem kräftigen, vielgliedrigen Körper, und jedes Glied diente irgendeinem Zweck, den sie nicht einmal erahnen konnte.
    Sie unterließ es, die beiden eingehender zu inspizieren. Es hatte keinen Sinn, sich in dieser verrückten Situation noch weiter verwirren zu lassen. Kurzerhand beschloss sie, diese beiden Wächter einfach als Empfangskomitee des Höllentors 1 zu bezeichnen. Nachdem sie sich erneut zweimal um sich selbst gedreht hatte, taufte sie das zweite Paar Empfangskomitee des Höllentors 2.
    Das lässt sich wiederholen, ist die korrekte wissenschaftliche Herangehensweise. Bidewell wäre jetzt stolz auf mich. Nach zwei neuerlichen Umdrehungen sah sie sich dem Empfangskomitees des dritten Höllentors gegenüber. Das sollte ich nicht den ganzen Tag lang tun, wie lange ein Tag hier auch dauern mag. Triff deine Wahl, Ginny. Selbst wenn es die falsche ist.
    Jetzt sprach ihre eigene innere Stimme, die andere war verstummt. Sie war allein.
    Ginny wusste, dass sie, auf sich allein gestellt, den falschen Weg nehmen würde. Nur ein einziges Mal hatte sie den richtigen gewählt, den zum grünen Lagerhaus. Und selbst damals hatte sie versucht, diese weise Entscheidung rückgängig zu machen, indem sie von dort weggelaufen war. Aber jetzt lag die Entscheidung nicht mehr allein in ihren Händen. Die Integralläufer strebten zueinander. Also, wo steckten die anderen? Waren sie da draußen in dem Wirrwarr und suchten nach ihr? Und zerrten ihre Steine sie so voran wie ungeduldige Terrier, die endlich frei laufen wollten?

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    Je länger Jebrassy mit Ghentun und Polybiblios marschierte, desto deutlicher wurde ihm bewusst, wie es ist, im Umfeld eines Großen Eidolon zu leben, selbst wenn das Epitom nur einen Teil des

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