Die Stadt am Ende der Zeit
darstellten, diesen winzigen Rest des Universums vor dem Untergang zu bewahren. Falls es überhaupt eine Grundlage für einen solchen Beweis gab.
Nach Beendigung der Inspektion fuhr Ghentun mit den speziell gesicherten Aufzügen, die in den dicken Außenmauern installiert waren, zur Quelle aller neu gezüchteten Lebewesen der alten Art, zum Hort weit oberhalb der Ebenen.
Am äußeren Rand des Hortes, vor den flüssigen, Licht absorbierenden Vorhängen, bekundete der Hüter mit einer Geste
seine Achtung vor dem, was dahinter lag: rotierende Säuglingsstationen, auf denen Hunderte neu geschaffener Embryonen in völliger Stille schliefen und auf ihre Geburt warteten – sollte es jemals dazu kommen. Reihe um Reihe.
Als die Vorhänge weit aufschwangen, ergoss sich goldenes Licht über den Hüter und wärmte seine Haut. Er hatte sich stets gern persönlich davon überzeugt, wie und wo seine Schützlinge geformt, genährt und später unterschwellig angeleitet wurden, bis die Umber – schlanke, graubraune Pflegerinnen, die sich leise und schnell bewegten – sie auf den Umzug zu den Ebenen vorbereiteten.
Mehrere Umber empfingen Ghentun unter dem weiten blassen Bogen, mit dem die Gestalterin die »Glückshaube«, die embryonale Eihauthülle, symbolisiert hatte. Zwei Umber geleiteten ihn hindurch, denn ohne Begleitung wäre er möglicherweise unvorhersehbaren Kraftfeldern und Druckbelastungen ausgesetzt gewesen. Anschließend stiegen sie weiter hinauf, passierten grüne Gelvorhänge und große, unheimlich still wirkende Behälter mit urzeitlichem Eis und traten in den funkelnden Nebel des Vitreions ein. Das Vitreion war das Allerheiligste der Gestalterin und für Maschinen gesperrt.
Noch intensiver wurde das goldene Licht, als er sich den gegenläufig rotierenden Kugeln näherte, in denen die pränatalen Kraftfelder lagen. Die Spinanlagen, die rings um ein Dutzend halb ausgereifter Säuglinge silberne Vektorkurven beschrieben und die Embryonen weiter ausformten, ähnelten mit ihren Ausläufern heftig herumwirbelnden Büschen. Sie arbeiteten so schnell, dass Ghentun die Bewegungen selbst dann nicht verfolgen konnte, als er die eigene Frequenz auf Maximum hochgefahren hatte.
Die letzte Gestalterin der Kalpa, Herrscherin über die Geburten im Hort, stand auf sechs schlanken Beinen neben einem erhöhten pränatalen Feld. Als Ghentun näher trat, tauchte ihr kleiner Kopf aus den dunkel glänzenden, von Kraftfeldern umgebenen Greifwerkzeugen auf, die ihre Arme darstellten. Hinsichtlich der physischen Form hatten sich die Wege von Instandsetzern und Gestaltern schon vor langer Zeit getrennt.
Nachdem sie ihn kurz begrüßt hatte, vollendete sie ihre Arbeit: Sie versah ein winziges, zitterndes, mit feinem weißem Pelz behaartes Ding mit mehreren mentalen Besonderheiten, um es bereits in diesem Frühstadium zu prägen. Das Kleine hatte die großen Augen fest geschlossen, bewegte jedoch fortwährend die Lippen und wirkte so, als könnte es beim geringsten Geräusch aufwachen.
Danach verstaute die Gestalterin ihre Instrumente und begleitete Ghentun auf einem Spaziergang durch den Anbau, in dem die Prototypen untergebracht waren. »Ich weiß nicht, was wir sonst noch tun könnten«, bemerkte sie, während sie zwischen den Paletten umherschlenderten, auf denen die meisten historischen Modelle für den zweiten Zuchtversuch lagerten – nüchterne Zeugnisse einer langwierigen Entwicklung, die zunächst an Unentschlossenheit und persönlichem Versagen gescheitert war. Auch Ghentun hatte zu Beginn seiner Amtszeit schwerwiegende Fehler gemacht.
Er reichte der Gestalterin seine Aufzeichnungen, die sie mit mehreren ihrer zahlreichen Augen durchflog.
»Keine Anweisungen. Keine Befehle «, murrte sie. »Soll ich etwa in letzter Minute Verbesserungen nach eigenem Gutdünken vornehmen – falls es überhaupt Verbesserungen sind? Einigen haben wir bereits die Fähigkeit mitgegeben, sich eigenständig,
ohne mein Eingreifen, fortzupflanzen, was an sich gefährlich genug ist. Allerdings erhöht es ihre Sensibilität. Falls wir sie noch sensibler machen, werden sie beim zartesten Lufthauch zittern und an Stress sterben. Und wenn wir sie noch schlauer machen, sterben sie vor Langeweile.« Sie machte ihrem Ärger mit einem leisen Summton Luft. »All diese Bücher kann man ja wohl kaum amüsant nennen.«
Ghentun tastete nach dem kleinen Buch in seinem Beutel. »Sie sind schlau genug«, erwiderte er. »Der Bibliothekar möchte ein
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