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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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eingraviert ist, sehr ähnlich. Also hat er endlich seinen Bestimmungsort erreicht.
    Doch wo stecken die anderen?
    Eigentlich will er jetzt nur noch Ginny finden. Falls sie wirklich hier ist, hat sie bestimmt große Angst, denn sie ist seiner Meinung nach von Angst geprägt. Von Angst und Tapferkeit. Er selbst hat nur selten Angst, und falls überhaupt, dann nicht so starke wie Ginny. Im Augenblick empfindet er eine leichte Angst, dennoch fühlt er sich fast wie gelähmt.
    Zeit, die Dinge genauer in Augenschein zu nehmen. Er dreht sich wieder um, fokussiert den Blick auf die Pole rechter und linker Hand und gewinnt dadurch ein klareres Bild.
    Spiralen einer blassgrauen Substanz schießen von oben nach unten und quer durch die Umgebung und bilden Spuren wie in einer Blasenkammer, die sich oberhalb des zugefrorenen grünen Sees in der Ferne verlieren. Es sieht aus, als hinge grünlicher Schnee in der Luft – als hätte sich aller Schnee der Welt
hier, am Ende der Zeit, zu einem sonderbaren Blizzard verbunden.
    Vielleicht besteht der ganze See aus Eis, aus grünlichem, spiegelglattem Eis. Und im Mittelpunkt des Sees … befindet sich das Kreuz oder der Kern.
    Ein verschwommener dunkler Punkt, zu weit weg und zu klein, um von seinem Standort aus irgendwelche Einzelheiten erkennen zu können. Nur eine diffuse dimensionslose Schwärze. Doch in der Nähe tut sich jetzt ein weiterer, aus dem Eis herausgemeißelter Hohlraum auf, und darin kann er ein wunderschönes, von Strahlen hervorgerufenes Leuchten ausmachen – unzählige strahlend blaue Lichtbogen. Dort bewegen sich Silhouetten, die so klein sind, dass es Menschen sein könnten. Bis auf eine, die wie eine perlmutterartige Kegelform wirkt und am Scheitelpunkt hell leuchtet. Ihr Gesicht leuchtet. Selbst von hier aus kann er sehen, dass es das Gesicht einer Frau ist. Zumindest das Gesicht eines imposanten weiblichen Geschöpfs. Während Jack durch das bläuliche Licht auf dieses Gesicht blickt, erschauert er. Er weiß, wo es sich befindet und was es ist oder früher einmal war.
    Die Eisschicht auf dem See ist überall eingekerbt, als hätten hier riesige Schlittschuhläufer mit ihren Kufen Rillen hinterlassen – Furchen, so tief, dass sie ihn verschlucken könnten, würde er hineinfallen.
    Die Spuren der Qual, die die Königin in Weiß erlitten hat.
    Während er sich auf den Weg macht, glüht der Integralläufer in seiner Hand und zieht ihn vorwärts. Falls er den Stein nicht festhält und mitgeht, ist durchaus vorstellbar, dass der Stein allein vorwärtsgleitet und ihn zurücklässt. Und dann würde er erfrieren, genau wie all diese Riesen ringsum. Sie
haben sich unmittelbar vor den herumwirbelnden Bändern versammelt, vor den Schleifen verschiedener Sphären, die zusammen eine Armillarsphäre bilden. Ein ähnliches Gebilde, bestehend aus mehreren gegeneinander drehbaren Ringen, die insgesamt die Form einer Kugel haben, hat er schon einmal in einem Museum gesehen – ein astronomisches Gerät zur Messung von Koordinaten und Darstellung der Bewegung von Himmelskörpern.
    Die paradoxe Armillarsphäre ist das Symbol der Integralläufer. Es steht für breit angelegte, miteinander verflochtene Schicksalsfäden, die nach vorne hin aufsteigen und nach hinten hin abfallen.
    Aber was ist mit diesen Riesen? Waren sie schon vorher hier? Er kann sie auf der gegenüberliegenden Seite vor den herumwirbelnden Bändern sehen, wo sie sich wie ungewöhnliche Schachfiguren aufgebaut haben – so als warteten sie auf den Ausgang eines endlosen Spiels. Sie sind erschreckend schön. Ihre Größe und frühere Macht kann Jack zwar nicht einschätzen, doch schon ihr Anblick vermittelt ein bestimmtes Wissen, den Zugang zu dem, was einst eine fantastische, in der Zukunft liegende Geschichte gewesen sein muss. Bestimmt sind sie damals Gutachter, Baumeister und treibende Kräfte für ganze Galaxien gewesen. Und dann wurden sie gefangen genommen, versklavt und mussten die stümperhafte, dümmliche Zerstörung all dessen mit ansehen, was ihr Leben je ausgemacht hatte und was sie geliebt hatten.
    Jetzt haben sie sich versammelt, um auf einen weiteren Spielausgang, einen weiteren Abschluss zu warten. Die Mächtigen und Erhabenen warten auf die Ankunft des Winzigen und Unbedeutenden.
    Jack hat Zuschauer.
    Trotz des Überschwangs, mit dem der Integralläufer vorwärtsstrebt, behält Jack ihn fest im Griff. Jack lässt niemals etwas fallen.
    Als er auf die glatte Eisdecke tritt, wuseln weiße und

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