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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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zerfällt Polybiblios zu grauem Staub. Gleich darauf stülpt sich der Anzug nach innen, zerknautscht und schrumpft zur Größe eines Kieselsteins zusammen.
    Das Ende aller Worte, aller Informationen.
    Erinnerungen an viele Billionen Jahre – ausgelöscht.
    Der Hüter verdreht die Augen nach oben, bis nur noch das Weiße zu sehen ist, und stirbt. Zerbröselt zu Staub. Auch sein Schutzanzug schrumpft zusammen. Teile davon lösen sich, rollen über den Boden, auf das Kästchen und den Stein zu, sprühen Funken und zischen.
    Alles zerfällt.
    Jebrassy versucht, die Überreste in den Händen zu bergen, doch als seine Schutzhandschuhe sie berühren, vollendet sich das Zerstörungswerk, das mit Ghentuns Tod begonnen hat. Jebrassy rinnt nur noch feiner Sand durch die Finger.
    Alles war umsonst.
    Jebrassy steht auf. Zum ersten Mal erfährt er, was es bedeutet, völlig allein und nur auf sich gestellt zu sein. Genau wie
sein Herz schreit auch die Trügerische Stadt voller Entsetzen auf. Er kennt diese Stimme, kennt sie aus seinen Träumen – aus seinen Ursprüngen.
    Jemand wirft einen Stein, und der Stein beschreibt einen Bogen, um seinen Bestimmungsort zu erreichen. Solange er fliegt, geht ein Leben weiter – bleibt ein Schicksalsfaden im Spiel.
    Doch jetzt ist der Bestimmungsort, das Ziel, nicht mehr vorhanden und nur noch der Schicksalsfaden übrig.
    Warum bei den Spielchen der Eidola mitmachen, junger Nachgezüchteter?
    Ein letzter Blick zu den Sandhäufchen.
    Dort hat sich mittlerweile etwas Neues herausgebildet, ein größeres polyedrisches Objekt mit sieben Flächen und vier Hohlräumen, das aus dem gleichen Material wie das graue Kästchen besteht.
    Jebrassy zuckt es in den Fingern. Als er das Objekt anfasst, gibt es keine Wechselwirkung mit dem Schutzanzug. Es ist deaktiviert.
    Jebrassy hebt es mechanisch auf und nimmt es mit, ähnlich wie ein Pede Nistmaterial weiter mit sich herumschleppt, auch wenn man ihm sein Gelege geraubt hat und die Eier längst vertilgt sind.
    Jetzt legt er die letzte Strecke zurück, geht an den Trümmern vorbei, kämpft sich durch den Ansturm flüsternder Schatten …
    Das wichtigste Gebilde seiner geheimsten Träume ist dabei, sich zusammenzufügen. Er spürt die Bewegung. Es ist ein großes Objekt, das als Ganzes rotiert und sich zugleich in sich dreht, wie das Muster, das auf dem Deckel des Kästchens eingraviert
war. Es ist das Symbol des Schläfers. Dieses geometrische Bollwerk wird das Ende noch für einen letzten Augenblick aufhalten. Bis Brahma weiß, ob er aufwachen will oder nicht.
    Kaum hat Jebrassy das Gebilde durchquert, wirbelt in seinem Rücken ein riesiges Band vorbei. Folglich gibt es kein Zurück mehr.
    Er tritt auf die Eisfläche eines zugefrorenen blaugrünen Sees. Der See hat die gleiche Farbe wie die von den Shen geborgenen Teile der Muse, die Polybiblios zu einer menschenähnlichen Gestalt zusammengefügt hat.
    Der letzte Abschnitt seiner Reise hat begonnen.
    Er geht auf das Wehgeschrei zu.

113
    Inzwischen hat Jack das Zentrum der Stadt erreicht. Jedenfalls sieht es wie ein Zentrum aus, denn alles rotiert um diesen Mittelpunkt. Allerdings wirkt die Szenerie wie verzerrt und ist schwer zu deuten. Also dreht er sich um, wirft einen Blick über die Schulter, beugt sich vor und starrt durch seine Beine hindurch – durch die letzte changierende Schicht der Schutzblase. Der Stein in seinen Händen ist heiß und zittert vor Erregung. Aber alles andere … ist sehr kalt.
    Das Zentrum ist ein kreisförmiger smaragdgrüner See, umgeben von kreisrunden Bändern, die als Ganzes rotieren und sich zugleich in sich selbst drehen. Dieses Perpetuum mobile besteht aus Gitterstäben, die den Raum ununterbrochen durchschneiden.
Es ist ein Gefängnis ganz besonderer Art – und er befindet sich mittendrin, denn irgendwie ist es ihm gelungen, den Schnittstellen unbeschadet auszuweichen. Die Bänder oder Stäbe sind völlig flach und glatt, haben keine Tiefe und reflektieren das Licht mit ehernem Glanz, als wollten sie dem Dunkel Widerstand leisten.
    Zwei gerade verlaufende Bänder, das eine senkrecht, das andere waagerecht, treffen über dem See so aufeinander, dass sie ein Kreuz bilden. Aus der einen Perspektive betrachtet, befinden sich die rotierenden Bänder hinter dem Kreuz, aus einer anderen rotieren sie rings um das Kreuz, während sie aus einer dritten Perspektive vor dem Kreuz herumwirbeln. Das Gebilde sieht dem Symbol, das im Deckel des rätselhaften Kästchens

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