Die Stadt am Ende der Zeit
– und kniet sich neben sie.
Als sich die Rächer nähern, schiebt Glaucous das Mädchen mit seiner feisten, hässlichen Hand sanft aus dem Weg.
Und dann bricht die Woge der Katzen über ihn herein. Er ist ihre erste Beute. Ist ja nur gerecht, denkt er. Ein Schrecken aller Vögel stürzt sich auf den anderen. Glaucous rollt sich wie ein verzweifeltes Kind zusammen und bemüht sich mit dem Rest seiner Willenskraft, nicht in das Geheul ringsum einzustimmen. Sein Blut spritzt aufs Eis. Noch ehe er sein Leben ausgehaucht hat, rast die graue Flut weiter. Während sein Schmerz
gefriert und sich zu einem einzigen dumpfen Pochen verdichtet, hüllt ihn Dunkelheit ein.
Bald wird etwas anderes sterben.
Die Katzen sind auf weitere Beute gestoßen, die wichtiger ist als Glaucous.
120
Der Typhon kennt weder Zeit noch Raum. Er existiert gedankenlos und ohne eine bestimmte Gestalt anzunehmen in einem Zustand der Verdichtung, ist kleiner als der kleinste vorstellbare Punkt. Im Grunde lässt er sich – wie auch die Musen oder Brahma – nur durch Verneinungen beschreiben: Er ist weder dieses noch jenes.
Doch um die Dinge zu vereinfachen, gebrauchen wir Wörter der menschlichen Sprache und schreiben ihm Motive, Aktivitäten und Emotionen zu, die den Menschen vertraut sind. Diese Wörter mögen zwar nicht unbedingt zutreffend sein, aber sie erleichtern die Vermittlung.
Als der Typhon unseren alternden Kosmos zum ersten Mal gewahrte, spürte er Leere – und eine Chance. Dem alten Kosmos stand nur wenig zu seiner Verteidigung zur Verfügung. Zwar hatte er zahlreiche Beobachter, doch sie waren über ein unermesslich weites, aber dünnes geometrisches System verteilt, das sich im Laufe von Äonen des Niedergangs zerschlissen hatte. So wie ein großer umgestürzter Baum noch eine Weile weiterlebt, während der Saft und die Willenskraft langsam aus
ihm heraussickern, lebte auch der Kosmos weiter, während seine Substanz bereits zu zerfallen begann.
So weit das auf zeitlose Phänomene überhaupt zutreffen kann, war der Typhon noch jung und unerfahren. Doch selbst ein unreifer, noch kaum geprägter Herrschaftsanwärter muss seine Eignung beweisen. Für den Typhon bot sich unser Kosmos als Gelegenheit an, endlich Wurzeln zu schlagen, ähnlich wie ein Samenkorn gern den Mutterboden einer Baumschule nutzt. Er hatte vor, sich über das sterbende Reich zu erheben und so lange zu wachsen, bis er alles beherrschte.
Bis er zur Gottheit geworden war.
Der Typhon rechnete nicht mit Widerstand, und das war sein Fehler. Er wusste nicht, wie man Auseinandersetzungen und Aufbegehren einbezieht und sich zunutze macht, doch solche Fähigkeiten braucht jede Gottheit. Der Widerstand der Schöpfung – ihr ungezügelter freier Wille – ruft gewöhnlich Liebe hervor. Doch nicht beim Typhon. Überall, wo er auf etwas stieß, das die Dinge anders sah als er, vernichtete er es – voller Abscheu und mit großer Angst.
Und später mit einer Haltung, die Belustigung ähnelte.
Der Typhon schwelgte in Hass, und nichts konnte ihn davon abbringen. Viele Billionen Jahre lang.
Endlich hatte er einen Zug an sich entdeckt, der ihn besonders auszeichnete.
Doch schließlich manifestieren sich die Ergebnisse seines Wirkens, die Folgen seiner Taten in allen möglichen Dimensionen. Mittlerweile ist er keine junge Gottheit mehr. Und er existiert auch nicht mehr als infinitesimaler Punkt, der überall und zugleich nirgends ist. Er hat eine Art Grenze erreicht, eine unerwünschte Substanz erlangt, die sich aus dem ursprünglichen
Nichts herausgebildet hat – der Einheit, die allen möglichen Schöpfungen zugrunde liegt und sich aus dem winzigsten virtuellen Schaum des winzigsten vorstellbaren Vakuumvolumens entwickelt.
Der Typhon nimmt Dimension und Gestalt an, bläht sich auf und breitet sich aus. In seiner schrecklichen, sinnlosen Leidenschaft dafür, Dinge auseinanderzunehmen und zu zerstören, verliert er schließlich alles aus dem Auge, worauf er sich früher bei seinen Eskapaden und Unternehmungen konzentriert haben mag.
Der überdehnte Kosmos – der alte, zerbröselnde Mutterboden, der den Typhon genährt hat – ist inzwischen so verkommen, dass er sich in eine Falle verwandelt hat. Die Bänder in Brahmas Armillarsphäre rotieren. Für eine aufgeblähte, undisziplinierte Gottheit ist der Kosmos mittlerweile kein guter Aufenthaltsort mehr. Innerhalb des rotierenden Gefängnisses kann der Typhon jetzt nur noch wild um sich schlagen und seine letzte Kraft
Weitere Kostenlose Bücher