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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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kenne ich. Und den da auch.« Hocherfreut wies sie Jebrassy auf die Buchstaben hin.
    »Meine Hortschwester Kovleschi war nicht so wagemutig wie wir anderen und hat bei der Bücherjagd nicht mitgemacht. Aber sie wusste von alten Buchstabenkäfern, deren Flügel mit solchen Symbolen gezeichnet waren. Also haben wir die Familien, die solche Käfer hegten und pflegten, besucht und zugesehen, wie die Käfer sich zu Wörtern zusammentaten. Und dann haben wir diese Wörter mit neueren derselben Bedeutung verglichen, die jüngere Käfer mit jüngeren Schriftzeichen bildeten. «
    Buchstabenkäfer konnten viele Generationen von Nachgezüchteten der alten Art überleben und wurden oft von einer an die nächste weitergereicht.
    »Im Laufe der Zeit gelang es uns, ein Silbenverzeichnis zu erstellen und auf dieser Grundlage ein Wörterbuch anzulegen. Trotzdem konnten wir auch damit nur wenige Buchpassagen entschlüsseln. Immer noch gibt es so vieles, das mir nichts sagt, obwohl ich es auswendig gelernt habe, sofern das Buch so lange stillgehalten hat. Offenbar verändern sich diese Bücher ständig. «
    Tiadba reichte Jebrassy das Buch. Auch er überflog die erste Seite und zog gleich darauf die Brauen hoch. »Sangmer«, las er vor und deutete mit dem Finger auf seltsame Schriftzeichen.
»Handelt dieses Buch von Sangmer ?« Hin und wieder schüchterten die Lehrer Zöglinge, die sich schlecht benommen hatten, mit beängstigenden Geschichten ein. In einigen kam ein Wanderer namens Sangmer vor, der bei Ausflügen in fremdes Territorium sein Leben eingebüßt hatte.
    »Vielleicht bin ich doch nicht ganz dumm gewesen«, sagte Grayne und zwinkerte ihnen zu. »In den meisten unserer Bücher ist an vielen Stellen von Sangmer und Ishanaxade die Rede. Sie waren Lebensgefährten, doch nicht immer besonders glücklich miteinander. Ein temperamentvolles Paar. Das Wenige, das wir entschlüsseln konnten, besagt, dass beide letztendlich im Chaos verschwanden.«
    »Wovon handeln die Bücher sonst noch?«
    »Andere sind noch rätselhafter und handeln von Dingen, die keiner von uns Nachgezüchteten begreifen kann: von einer alternden Welt jenseits der unserigen und vom Niedergang allmächtiger Herrscher. Und davon, wie sie gezwungen waren, sich in die Kalpa zurückzuziehen. Es gibt sogar einen kurzen historischen Abriss über die letzten Jahre einer Erscheinung am offenen Himmel . Anscheinend nannte man diese leuchtende Pracht früher Sonne .«
    »Das würde ich gern lesen«, flüsterte Jebrassy. »Ich würde gern all diese Bücher lesen.« Er blickte sich um, als fürchte er, Grayne, die Nische und die Kiste mit all diesen echten Büchern könnte sich schlagartig in Luft auflösen.
    Grayne zog die Kiste mit ihrem Stock zu sich heran. »All das waren unsere Bücher. Sie waren nur für uns bestimmt, sollten uns als Richtschnur dienen. Ihr werdet eure eigenen Bücher finden, und sie werden euch zu Orten begleiten, die wir nie besuchen konnten. Vielleicht werden sie die große Geschichte
sogar zu einem Ende bringen.« Sie war so erschöpft, dass ihre Augen ganz schmal wurden.
    Tiadba wirkte bestürzt, doch sie nahm Jebrassy das Buch weg, zerrte es ihm buchstäblich aus den Fingern und reichte es Grayne, die es wieder in Lassidins Kiste verstaute.
    Grayne klappte den Deckel zu und verschloss die Kiste wieder. »Das hier wird der letzte Marsch sein«, erklärte sie. »Ihr werdet nichts ahnend losziehen, es sei denn, ihr findet eure Bücher und lernt, ihren Inhalt zu entschlüsseln. Dann werdet ihr diese Geschichten euren Gefährten erzählen. Zu jedem Marsch gehören bestimmte Geschichten und Instruktionen. So lauten die Regeln.«
    »Wessen Regeln?«, fragte Jebrassy.
    Doch Grayne beachtete ihn nicht. Sie legte ihren Umhang ab, so dass unter dem glatten schwarzen Gewand ihre mageren, gebeugten Schultern zu sehen waren, und reichte ihn Tiadba. »Die Schwesternschaft hat diesen Umhang vor vielen Generationen angefertigt, als wir alle noch jung waren. Schau hinein … Ins Futter ist unser grobes Silbenverzeichnis und ein vergleichendes Wörterbuch eingenäht. Alles auf der Grundlage dessen angelegt, was uns die alten Buchstabenkäfer verraten haben. Manche dieser Käfer haben bis heute überlebt. Ihr müsst nach ihnen suchen, sie ausborgen und eure eigenen Wörter lernen. Fügt unserem Wissen so viel ihr könnt hinzu.«
    »Warum gerade wir?«, fragte Jebrassy.
    »Frag besser, warum ausgerechnet du, junger Krieger. Eigentlich wollte ich all das nur Tiadba

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