Die Stadt der Engel
aus einem Sitzriesen ein Stehzwerg.
»Wir untersuchen es noch, aber es wird nicht viel dabei herauskommen«, erklärte der Major. »Der Anschlag spielte sich so schnell ab, daß wir nicht einmal mit Sicherheit sagen können, wer daran beteiligt war. An die dreißig Häftlinge kommen dafür in Frage, und einer schiebt die Schuld auf den anderen. Gewiß, ich mußte die Leute hart anfassen, aber das Ergebnis ist gleich Null.«
»Warum haben Sie eigentlich die Leiche des Kronzeugen so rasch verbrennen lassen?« fragte Maliwan wie beiläufig.
»Ich wollte die Panne im Gefängnis unter die Erde bringen, bevor sie sich zum Skandal ausweitet, Herr Oberst.«
Der Colonel stand auf, ging im Zimmer auf und ab. »Sonst haben Sie mir nichts zu sagen?« fragte er.
Vasatrana schwieg.
»Sie müssen doch wissen, daß ich kurz vor dem Mordanschlag in Little Sing-Sing war.«
Der Intelligence-Major nickte.
»Warum fragen Sie mich nicht danach? Sind Sie zu höflich oder zu diskret?«
»Vielleicht ist es das …«, erwiderte Vasatrana.
»Ich habe im Auftrag von General Ragusat gehandelt«, behauptete Maliwan. »Ohne jede Begründung bat er mich, die Sicherheit des Gefängnisses zu überprüfen, und zwar unverzüglich.« Er blieb stehen, fixierte seinen Besucher. »Und das habe ich getan und mich leider bei der Einschätzung geirrt. Aber Sie haben ja wohl außer Predi noch andere Zeugen.«
»Das schon, aber …«
»Gut, Major Vasatrana«, versetzte Maliwan. »Ich bin sehr mit Ihnen zufrieden. Leider muß ich unsere Freunde von der CIA über die Operation im Norden unterrichten. Ich kann das nicht hinter ihrem Rücken abziehen.«
Der Major nickte. »Über den Untergrundverband erhalten dann auch London, Paris und Bonn davon Kenntnis«, stellte er fest.
»Unsere Partner.«
»Sicher, Herr Oberst«, antwortete Vasatrana. »Aber im Intelligence-Service traut man eigentlich keinem.«
»Wir teilen uns die Arbeit«, erwiderte Maliwan süffisant. »Sie bleiben mißtrauisch, und ich bleibe kooperativ. Lassen Sie uns doch den Amerikanern vorführen, daß sie in unserem Lande ihre Dollarmillionen nicht zum Fenster hinauswerfen.«
Vasatrana verließ das Innenministerium zufrieden wie die Katze, die das Mäusenest entdeckt hat. Der Colonel hatte seine Darstellung geschluckt, und damit wären seine Tage wohl gezählt.
Auf dem Weg zu Garella ließ sich der Major in der New Petchburi Road absetzen, dem Revier, das man zur Zeit des Vietnamkrieges ›The Strip‹ genannt hatte. Die GIs waren längst gegangen, Touristen hatten sie abgelöst, doch der Strip war geblieben.
Der Geheimdienstoffizier ließ den Pratunam Market rechts liegen und bog auf der anderen Seite zum Siam-Center ab. Trotz der Hitze waren Massen von Menschen auf den Straßen Bangkoks unterwegs. Soweit sie Thais waren, zeichneten sie sich durch den Vorzug aus, sich um das Privatleben der anderen nicht zu kümmern.
Vasatrana betrat den Neubau durch die Tiefgarage. Sicher hatten ihn seine Leute längst im Visier; er konnte sich auf sie verlassen, sie befolgten jeden seiner Befehle, ohne Fragen zu stellen.
Der Einsatzleiter des Unternehmens ›Flashlight‹ lauerte in seiner versteckten Operationsbasis wie die Spinne im Netz. »Ich sehe es Ihnen an«, sagte Garella zu seinem wichtigsten Helfer, »daß Ihnen Colonel Maliwan auf den Leim gegangen ist.«
»Aber er will die örtliche CIA einschalten – seine große Säuberungsaktion im Norden könnte dadurch verpuffen wie nichts.«
»Die Gefahr besteht«, erwiderte Garella. Die Narbe in seinem Gesicht hob sich von seinem blassen Teint dunkelrot ab. »Ich nehme übrigens nicht an, daß Maliwan so schnell seine Genehmigung zum Losschlagen erteilten wird.«
Vasatrana musterte die Unterlagen auf Garellas Schreibtisch, das dicke Dossier über die THAI TRASCO. Daneben mehrere Horoskope. »Sind Sie unter die Sterndeuter gegangen?« spottete er.
»Ich nicht«, entgegnete der Mann aus Pullach und Langley. »Aber Colonel Maliwan mit Sicherheit. Und General Ragusat. Und Prinz Arthrit, der Verbindungsoffizier zum Hof. Und seine Majestät, König Bumiphol selbst.«
»Das ist doch nicht neu …«
»Aber sämtliche Horoskope, die ich erstellen ließ, darunter eines vom Hofastrologen, sind in dieser Woche schlecht und in der nächsten gut«, informierte Garella. »Sie können mit mir wetten, Vasatrana, daß sich in dieser Woche nichts mehr tun wird.«
»Manchmal glaube ich, daß Sie unser Land besser kennen als ich«, sagte der Major
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