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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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unaufgefordert Platz. »Entschuldigen Sie, Dany«, sagte er. »Ich war so zerstreut, daß ich Sie nicht gleich …«
    »Schon gut«, erwiderte die Journalistin. »Gestern um diese Zeit wirkten Sie etwas frischer, Ferry.«
    »So wie Sie heute, Dany«, stellte er fest und nahm sich die Zeit, die junge Frau ausgiebig zu betrachten. »Nein«, sagte er dann. »Es war wirklich keine rauschende Liebesnacht …«
    »Es sollte auch keine Anspielung sein«, entschuldigte sich die Journalistin. »Sorgen?«
    »Probleme«, entgegnete er und lächelte zweckentfremdet. »Wenn ich nicht auf der Hut bin, wird jetzt Doktor Kimble zum Doktor Gimpel.«
    »Na ja«, tröstete ihn Dany. »Es war ja damit zu rechnen, daß Ihre Flucht einmal enden würde. Sie sind wirklich nicht der Typ des Frührentners – aber daß Sie so rasch und so widerstandslos …«
    »Geben Sie mir eine Zigarette, Dany?« unterbrach sie der Architekt. Sie zögerte, weil sie wußte, daß er seit kurzem Nikotinabstinenzler war.
    »Ich bin auch nicht der Typ des Nichtrauchers«, schnaubte er und griff zu. Nach den ersten hastigen Zügen wurde ihm schwindlig, und er drückte die Zigarette wieder aus. »Hätten Sie einen Moment Zeit für mich?« fragte er dann.
    »Bestimmt mehr als Sie für mich«, erwiderte die Journalistin, aber ihr Gespräch riß ab, denn am Nebentisch – Dany hatte es schon erfasst, bevor Bruno versuchte, sie unauffällig darauf aufmerksam zu machen – legte einer einen Auftritt hin, den man von ihm nicht erwartet hätte.
    Kaspar Saumweber, der Friseurmeister aus Dingsbach bei Landshut, eher klein als groß, schlank und doch schon etwas schmerbäuchig, war am Eingang erschienen, mit einem Thai-Mädchen am Arm, stolz wie ein Spanier.
    »Den schaug an!« sagte Anderl verblüfft. »Stille Wasser gründen tief.« Dann erkannte er Alipa und wurde zornig. »Zuerst verschläft er seine Chance, und dann rückt er hier ausgerechnet mit einer Schlampe aus dem Blue Moon an!«
    Der Witwer auf Freiersfüßen schritt wie über einen Teppich auf den Tisch zu, unbekümmert um die finsteren Blicke des Hotelpersonals.
    »Mensch, Kaspar, du machst dir ja!« rief Plischke dem verliebten Dorffigaro zu. »Aber hier im Hotel kriegste Ärger mit deiner Siamkatze. Verlass dir druff!«
    »Alipa, meine Braut«, stellte Saumweber vor und heiterte seine Ferienfreunde auf.
    »Bist wohl noch besoffen«, erwiderte Anderl.
    »Ich werde sie mit nach Hause nehmen. Nicht wahr, Alipa?« Sie nickte und lächelte; sie nickte und lächelte immer, ob sie den Gesprächspartner verstand oder nicht. Ihre Menschenkenntnis war bei ihr vorwiegend Männerkenntnis, eine einträgliche, und die Lotosblume hatte sofort erfasst, daß sie bei dem vereinsamten Witwer eine Chance hatte, die über höhere Baht-Scheine weit hinausreichte. Alle Thai-Mädchen ihrer Branche wollten einen europäischen oder amerikanischen Ehemann, so wie es der Traum ihrer Brüder war, in der deutschen Bundesliga zu kicken.
    »Du hast doch wohl nicht alle Tassen im Schrank.« Anderl tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.
    »Wahrscheinlich heirate ich die Alipa sogar«, erklärte Saumweber, zog seine Begleiterin an sich, und Alipa lächelte und nickte wieder, wiewohl die Kellner sie nicht bedienten.
    »Eine aus der Nahkampfdiele?« fragte der niederbayerische Rotschopf.
    »Na und?« erwiderte Saumweber. »Bist du nicht um die Mädchen herumgehüpft wie ein brünstiger Ziegenbock?«
    »In Bangkok«, versetzte Anderl. »Aber doch nicht in Landshut.«
    »Und ich mach's umgekehrt, alter Schlawiner.« Sie sprachen so laut, daß man sie mindestens drei Tische weit hörte. Der Fuhrunternehmer begriff, daß es seinem stillen Kumpan ernst war.
    »Mensch, überleg dir das noch, Kaspar! Versprechen kannst ihr ja, was willst, aber mitnehmen … Was meinst denn, was deine Kinder über die neue Stiefmutter sagen?«
    »Meine Kinder sind schon erwachsen«, gab er zurück. »Und dann ist es mir auch wurscht«, entgegnete der Friseur. »Ich leb' jetzt mein eigenes Leben. Und ich kann mir das leisten.« Er nickte der Runde zu. »Auch der Herbst hat sonnige Tage«, zitierte er und stellte sich in Positur, als könnte er noch wachsen.
    »Gut, Kaspar, aber deine Kunden?« fragte ein Kegelfreund. »Was meinst, was die für Augen machen, wenn auf einmal eine schlitzäugige Meisterin in deinem Laden steht?«
    »Da werd' ich wahrscheinlich anbau'n müssen«, erwiderte Saumweber. »Weil's bei mir dann zugeht wie im Bierzelt.«
    »Laß dir

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