Die Stadt der gefallenen Engel
berichtete ihm von den Vorfällen im Zoo. »Alle Tiere sind komplett ausgerastet, als ich vorbeigekommen bin. Sie waren aggressiv, vermutlich hätten sie mich angegriffen, wenn sie gekonnt hätten.«
»Wahrscheinlich lag es am Gewitter. Du solltest der Sache nicht zu viel Bedeutung beimessen.«
Lara schüttelte heftig den Kopf. »Das alleine ist es nicht. Ich habe generell das Gefühl, dass sich alles verändert – dass ich mich verändere.«
Sie erzählte ihm von ihren Träumen. Von dem Gefühl, das sie manchmal überkam, anders als andere zu sein.
»Fühlt sich nicht jeder so? Zumindest manchmal?«, fragte Damian.
Lara zuckte die Schultern. »Es fühlt sich anders an. Ich empfinde es extremer.«
Er ging nicht darauf ein, was sie merkwürdig fand, sondern fragte: »Was willst du jetzt machen? Ich meine wegen deinem Vater.«
»Was soll ich schon machen?« Lara schüttelte leicht den Kopf. »Immer wieder nachfragen, nicht aufgeben. Irgendwann werde ich die ganze Wahrheit kennen.«
»Und wenn du sie kennst? Was dann?«
»Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst?«
»Manchmal ist es besser, die Dinge ruhen zu lassen.«
Damian sah ihr in die Augen. Lara hatte das Gefühl, als würde ein dunkler Schatten über sein Gesicht huschen. »Manchmal lebt es sich mit einer Lüge einfacher«, fügte er leise hinzu.
Lara sah ihn erstaunt an. »Aber die Wahrheit ist wichtig. Woher soll man sonst wissen, wer man ist? Woher man kommt und wohin man geht?«
Damians Lächeln war plötzlich voller Bitterkeit. Lara blickte in seine wunderschönen Augen und entdeckte tiefen Schmerz darin. »Möchtest du darüber reden?«, fragte Lara zaghaft.
»Nein.«
Sie sah, wie sich seine Kiefermuskeln anspannten, und wusste, dass er nicht bereit war, mit ihr über seine Vergangenheit zu sprechen. Gleichzeitig spürte sie, wie Ärger in ihr aufstieg. Ärger darüber, dass sie sich ihm geöffnet hatte und er ihr Vertrauen nicht mit Gegenvertrauen beantwortete.
»Findest du das fair?«
»Was?«
»Ich habe dir so viel von mir erzählt, aber ich weiß praktisch nichts über dich.«
»Gib mir einfach noch ein bisschen Zeit.« Damian versuchte ein Lächeln. »Früher oder später werde ich dir alles erzählen. Ich kann gerade einfach nicht darüber reden, aber glaube mir, es liegt nicht an dir. Ich vertraue dir.«
Die Worte wischten ihre Enttäuschung beiseite. Lara erhob sich und blickte zum Himmel. »Es hat aufgehört zu regnen.«
Sie streckte ihm die Hand entgegen und zog ihn auf die Füße.
»Du hast mir noch nicht gesagt, warum du mich besuchen wolltest.«
Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht. »Stimmt!«, gab er zu.
»Also?«
»Also, ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, mit mir auszugehen.«
»Hhmmm«, zögerte Lara gespielt. »Was hast du denn mit mir vor?«
»Heute Abend veranstaltet eine Freundin von mir ein Event. Sie ist Künstlerin. Malerin. Und sie wird live ein neues Gemälde erschaffen.«
»Und du denkst, es könnte mich interessieren, jemandem stundenlang dabei zuzusehen, wie er mit einem Pinsel Farbe auf einer Leinwand verteilt?«
»Ja, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich kenne Marika schon ziemlich lange und kann dir versprechen, du wirst es nicht bereuen. Sie ist außergewöhnlich, in jeder Beziehung.«
Die Worte waren wie Pfeile, die sich in ihre Seele bohrten. Eifersucht stieg in ihr auf, aber Lara riss sich zusammen.
»Ach ja?«
»Ja, und übrigens – Marika verwendet keine Pinsel für ihre Kunst.«
»Was benutzt sie dann?«
»Lass dich überraschen.«
29.
Die Nacht war hereingebrochen. Es war nahezu finster, denn der Mond blieb hinter tief stehenden Wolken verborgen. Ein leichter Wind ließ achtlos weggeworfenes Papier rascheln. Die drei Männer bewegten sich lautlos durch die Dunkelheit. Ihre Augen waren nicht auf das Licht des Mondes angewiesen und die Straßenlaternen funktionierten nicht, dafür hatten sie gesorgt.
Dies hier war das Gebiet der Dämonen.
Sie waren Engel und sie waren auf der Jagd. Sie waren hier, um Rache für Gavals Tod zu nehmen.
Die Tür zu dem mehrstöckigen Gebäude war verschlossen, aber als Arias seine Hand darauf legte, schwang sie auf. Mit einer Handbewegung bedeutete er den beiden anderen, ihm zu folgen. Zwei weitere Krieger würden an der Rückwand des Hauses hochklettern und über das Dachfenster eindringen. Sie waren nur fünf und wussten nicht, wie vielen Feinden sie gegenüberstehen würden, aber sie waren von Zorn erfüllt und voller
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