Die Stadt der gefallenen Engel
verwandelte er sich in atemberaubendem Tempo. Der Stuhl wurde nach hinten geschleudert und klapperte über den Steinboden, bevor er an einer Säule zersplitterte.
Die Kleidung, die Satan getragen hatte, verschwand und aus dem kleinen Jungen wurde ein drei Meter hoher Dämon. Über den muskelbepackten Körper jagten unablässig Feuerzungen, als Satan die mächtigen Fäuste ballte, den hässlichen Kopf mit den vier aus seiner Stirn springenden Hörnern in den Nacken warf und ein Brüllen ausstieß, das alle erzittern ließ.
»Du wagst es, mir das zu sagen? Du wagst es, von Niederlage zu reden. Von Verlusten.«
Baalaeth erbleichte. »Deine Krieger haben tapfer gekämpft.«
»Nein«, brüllte der Herrscher zornig. »Sie haben versagt. Wenn sie nicht schon tot wären, würde ich jetzt ihre Seelen essen.«
Baalaeth fühlte, wie Zorn in ihm aufwallte. So viele waren gefallen. Sie hatten sich einer gigantischen Übermacht gestellt und waren erst gewichen, als es keine Hoffnung mehr gab.
Trotzig hob Baalaeth den Blick und sah direkt in die geschlitzten Augen des Fürsten. Dessen breite Nüstern blähten sich geräuschvoll. Schwefelwolken drangen daraus hervor, aus den gebleckten Lippen tropfte Geifer auf den Boden und hinterließ schmierige Flecken.
»Dann habe auch ich versagt. Töte mich!«
Satan verwandelte sich erneut. Diesmal nahm er die Gestalt einer wunderschönen Frau mit langen schwarzen Haaren an. Ihr Gesicht war die Verwirklichung aller Schönheitsideale. Ihr nackter, muskulöser Körper die Sünde selbst. Graziös trat sie vor den knienden Baalaeth. Eine Hand legte sich sanft auf seine Stirn.
»Wie du meinst«, hauchte die sanfte Stimme, voll der schweren Süße des Todes.
Und Baalaeth verging in einem Feuersturm.
Etwas später nahm Satan die Gestalt eines alten, vom Leben gebeugten Mannes an. Das spärliche weiße Haar und der lange graue Bart verliehen ihm das Aussehen eines Hundertjährigen. Er saß mit untergeschlagenen Beinen auf dem harten Boden. Seine dürren Finger fuhren die im Stein eingelassenen Symbole nach. Die nackten Füße lugten unter dem langen zerschlissenen Gewand hervor, als er innehielt und verspielt die Zehen bewegte.
»Asiszaar?«, krächzte seine Stimme. »Wo bist du?«
Ein Krieger trat aus der geschlossenen Formation. Seine Stiefel dröhnten auf den Steinplatten, als er zu Satan schritt und sich demütig verbeugte.
»Ich kann dein Gesicht nicht sehen, mein Sohn«, jammerte der Alte.
Asiszaar entledigte sich seines Helms. Sein hartes, von rituellen Narben verziertes Gesicht und die grausamen, fast weißen Augen kamen zum Vorschein. Haare, so schwarz wie eine Rabenfeder, fielen ihm bis auf die gepanzerten Schultern, als er Satan ehrfürchtig ansah.
In der Hand des alten Mannes erschien ein langer Eibenstock, der genauso brüchig und verrottet wie er selbst aussah. Er zog ein Knie an und versuchte schwerfällig, sich aufzurappeln, aber immer wieder rutschten ihm die Füße weg und er fiel keuchend zu Boden.
Beim dritten Versuch trat Asiszaar vor und streckte Hilfe anbietend eine Hand aus.
»LASS DAS!«, dröhnte Satans Stimme so laut, dass alle im Saal furchtsam zusammenzuckten. Aus Asiszaars Antlitz verschwand jede Farbe, als er zurückwich und sich auf die Knie fallen ließ.
»Verzeih mir, Herr«, flüsterte er ergeben.
»Schon gut, mein Junge. Ich komme allein zurecht.«
Scheinbar eine Ewigkeit später stand Satan mit zitternden Knien vor dem Krieger.
»Du kannst jetzt aufstehen.«
Asiszaar erhob sich, aber sein Blick blieb gesenkt.
»Ich habe eine Aufgabe für dich.«
»Was immer du verlangst, Herr.« Die Worte erfüllten vibrierend die Luft.
»Was immer ich verlange?«, wiederholte der Alte nachdenklich. Eine kalte Hand legte sich auf Asiszaar Schulter. »So viel ist das nicht.« Dann ein heiseres Brüllen. »Ich verlange nur eines. Bring mir den Kopf des Mannes, dem ich vertraut habe und der mich enttäuscht hat, und bringe das Mädchen hierher. Nur mit ihrer Hilfe können wir die Horden noch aufhalten, ansonsten ist alles verloren.«
Der widerliche Atem des Alten floss über Asiszaar hinweg, aber trotz allen Ekels zuckte er mit keiner Wimper, sondern hob seinen Blick und sah in diese uralten Augen, die seine Seele zu verschlingen drohten.
»Und du solltest besser nicht versagen, mein Junge«, fügte Satan mit einem Lächeln noch hinzu.
39.
Stille herrschte im Haus. Lara blickte zum Fenster hinaus, aber die tief hängenden Wolken luden nicht gerade zu
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