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Die Stadt der gefallenen Engel

Die Stadt der gefallenen Engel

Titel: Die Stadt der gefallenen Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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Gäste eintrafen, aber sie wollte noch duschen, sich die Haare machen und die Nägel neu lackieren.
    Lara wollte schön sein.
    Für ihren Großvater.
    Und für Damian.

40.
    Damian saß auf den staubigen Holzbrettern des alten Dachbodens. Seine Jäger hatte er losgeschickt, die Gegend um Laras Haus zu sichern. Der Angriff der Engel auf eine Gruppe Dämonen mitten in der Stadt verwirrte ihn.
    Er wusste, dass Gabriel die Engel anführte, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass er den Befehl zum Angriff gegeben hatte. Gabriel war ein vorsichtiger Mann, klug und besonnen. Ein derart emotionales Vorgehen entsprach nicht seinem Charakter, denn hier ging es eindeutig um Rache. Rache für den Tod eines Engels, den die Dämonen in eine Falle gelockt und getötet hatten.
    Unruhe erfasste Damian. Konnte es sein, dass der Große Krieg begann? Dass die alten Prophezeiungen wahr wurden? Die letzte Schlacht zwischen Himmel und Hölle bevorstand? Er hatte geglaubt, dass sich zwischen Himmel und Hölle noch immer alles im Gleichgewicht befand. In einem Gleichgewicht, das seit Ewigkeiten herrschte, das nun aber offensichtlich durch den Aufstand der Dämonen in Gefahr geriet.
    Reagierten die Engel auf diese Gefahr, indem sie begannen, Dämonen zu jagen und zu vernichten?
    Damian war verwirrt. Wie schon die ganze Zeit, seit er Lara das erste Mal in die Augen gesehen hatte. Seine Gedanken waren in Aufruhr. Er wusste, es war an der Zeit zu handeln. Doch er konnte es nicht. Er hatte Satans Befehle nicht befolgt. Ihm noch immer nicht das Mädchen gebracht.
    Warum? Warum widersetzte er sich?
    Sei ehrlich zu dir, flüsterte er sich selbst zu. Es ist nicht deine Überzeugung, dass es einen anderen Weg gibt, das Reich der Hölle zu retten, ohne sie dafür in Gefahr zu bringen.
    Er wusste, dass Satan ohne das Mädchen seine Macht verlieren würde. Und er war Satans gehorsamer Diener. Doch tief in seinem Inneren hatte sich etwas verrändert, hatte er etwas entdeckt, das er nicht kannte, von dem er aber eine vage Ahnung hatte. Wie die Erinnerung an einen Traum, der längst aus dem Bewusstsein verschwunden ist.
    Du bist nicht länger ein Jäger der Hölle, du hast dich verwandelt.
    Er fühlte Laras Liebe zu ihm. Ihre Gefühle hatten etwas Unschuldiges, etwas Bezauberndes, das ihn berührte.
    Und ihn verzweifeln ließ.
    Ihn schmerzte das Wissen, dass er Lara verletzen würde. So gern würde ich deine Liebe erwidern, dachte er, dich halten und dir zuflüstern, wie viel du mir bereits bedeutest. Aber ich bin dazu verflucht zu schweigen.
    Wütend sprang Damian auf die Füße und wanderte rastlos über die morschen Holzbretter. Er war nicht von dieser Welt und konnte nicht in ihr bleiben. Schon jetzt zog es ihn mit aller Macht in die Dunkelheit zurück und seine Kraft neigte sich dem Ende entgegen.
    Lara liebte ihn und er war bereit, sie zu verraten. Ihr Vertrauen zu missbrauchen. Was auch immer passieren mochte, er musste auch weiterhin lügen. Es gab keinen Raum für die Wahrheit.
    »Denn wenn du die Wahrheit kennst, bist du verloren«, flüsterte er in das Zwielicht hinein, das auf dem staubigen Dachboden herrschte. »Davor will ich dich beschützen.«
    Und wenn aus ihrer Liebe Hass wurde, würde er den Preis dafür bezahlen.
    Bald. Bald würde sich alles entscheiden.
    Laras Schicksal würde das Schicksal aller sein.
    Auch wenn ich deine Liebe nicht erwidern kann, will ich dich schützen. So lange es mir möglich ist.
    Er hob seine Hand und sah, dass sie zitterte. Als er versuchte, sie zur Faust zu ballen, verkrampften sich seine Finger zu Krallen und es gelang ihm nicht.
    Ihm blieb nicht mehr viel Zeit in dieser Welt.
    Er musste handeln.
    Handeln, wenn es eine Zukunft geben sollte.
    Für irgendjemand.
    Für alle.
     
    Grum’aak hatte zwar das alte abbruchreife Haus auf Damians Befehl hin verlassen, aber nicht das Gelände. Der riesige Dämon verbarg sich in einer schäbigen Wellblechhütte, die einmal als Garage gedient haben mochte. Ölflecken auf dem Boden und verrostetes Werkzeug an den Wänden erzählten von einer besserer Zeit, die aber längst vergangen war.
    All das war ihm gleichgültig. Er presste sein Gesicht gegen einen Schlitz zwischen zwei Platten und stierte hinaus. Ab und zu entwich ihm ein ungeduldiges, zorniges Schnauben, dann spannten sich seine mächtigen Muskeln und seine Lippen fletschten sich so weit, dass die langen Reißzähne sichtbar wurden, aber jedes Mal zwang er sich zur Ruhe.
    Er musste geduldig sein.
    Irgendwann

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