Die Stadt der gefallenen Engel
Monster kaum vorstellbaren Ausmaßes. Sein Kopf reichte nun fast bis zur kuppeiförmigen Decke. Seine muskelbepackten Beine waren so dick wie die Runensäulen, die die ganze Konstruktion stützten.
Eine Faust, groß wie ein Haus, donnerte auf den Boden herab und ließ tonnenschwere Steinplatten zerspringen. Krieger wurden zu Boden geschleudert. Splitter zischten durch die Luft, schwarzer Staub wurde meterhoch aufgewirbelt.
Als der Bote sich aufrappelte und wieder sehen konnte, erschrak er bis auf den Grund seiner schwarzen Seele. Satans Gesicht, eine überdimensionierte Fratze mit mannsgroßen Reißzähnen, hatte sich zu ihm herabgebeugt. Geschlitzte Pupillen, aus denen die Verheißung auf unerträgliche Qualen sprach, glotzten ihn an und in den Augen des Fürsten sah er sein eigenes Spiegelbild kleiner und kleiner werden.
»Ich sage, kämpft. Kämpft wie Krieger und die Horden werden zerschmettert werden.«
Dann fasste eine riesige Pranke nach dem Boten. Während Satan dem winzigen Wesen nacheinander die Gliedmaßen ausriss, verebbte sein Zorn und er erkannte, dass er nicht länger warten konnte. Bisher hatte er darauf vertraut, sein Schicksal mithilfe des Mädchens jederzeit ändern zu können, aber nun ahnte er, dass er handeln musste oder sie waren alle verloren.
Der Fürst der Hölle veränderte seine Gestalt zu einem menschlichen Wesen. Nun sah er wie seine Krieger aus. Groß und schlank, mit langem schwarzem Haar. An seinem Körper lag eine glänzende Rüstung, in einer Hand hielt er den Helm mit den gebogenen Hörnern, der ihn als Fürst auszeichnete, in der anderen ruhte sein Schwert.
Das schöne Antlitz verriet Entschlossenheit. Die Lippen zusammengepresst, musterte er seine Soldaten. Als er den Helm über den Kopf streifte, sanken die dunklen Engel ehrfürchtig auf die Knie.
Satan hob das Schwert an und reckte es der Kuppel entgegen.
»Heute werden wir in den Kampf ziehen!« Seine Stimme rollte durch den großen Saal.
Als Zustimmung donnerten die stumpfen Enden Hunderter von Lanzen auf den Steinboden und ließen ihn erzittern.
Satan lächelte.
Die letzte Schlacht hatte begonnen.
51.
Harry Beilstein hatte einen Entschluss gefasst. Er würde sterben, daran war wohl nichts zu ändern, aber er wollte nichts unversucht lassen. Falls es kam, wie es kommen sollte, hatte er wenigstens selbst über sein Schicksal bestimmt.
Wieder einmal wagte er es, den Fremden aus dem Augenwinkel zu beobachten. Der Mann saß kerzengerade auf dem Beifahrersitz und starrte zur Frontscheibe hinaus. Sie hatten die Stadtgrenze erreicht und sich in den zunehmend dichter werdenden Verkehr eingereiht.
Harry fuhr auf der linken Spur, damit ihn niemand überholen konnte und auf die fehlende Fahrertür aufmerksam wurde. Bei dem, was er vorhatte, musste er sich voll konzentrieren, irgendeine Ablenkung durch andere Autofahrer konnte er dabei nicht gebrauchen.
Sein Plan sah vor, bei höchstmöglicher Geschwindigkeit ein Ziel anzuvisieren und aus dem fahrenden Truck zu springen, bevor es zum Zusammenstoß kam. Was er brauchte, war ein Brückenpfeiler. Er wusste von früheren Fahrten, dass sie noch einige Brücken passieren würden, bevor sie im Zentrum waren. Alles hing davon ab, wie hoch die Geschwindigkeit beim Aufprall war.
Der Bastard neben ihm durfte nicht überleben oder musste zumindest so schwer verletzt werden, dass er ihm nichts mehr anhaben konnte. Gleichzeitig durfte er nicht zu schnell fahren, um selbst eine Chance zu haben. Allerdings gab es ein Problem. Je näher sie dem Zentrum kamen, desto dichter wurde der Verkehr und die Fahrgeschwindigkeit der Kolonne nahm ab. Derzeit fuhr er knapp fünfzig, obwohl hier hundert erlaubt waren. Fünfzig war eindeutig zu langsam für sein Vorhaben.
»Wie weit ist es noch?«, fragte der Mann neben ihm.
Harry schrak aus seinen Gedanken auf und zwang sich zur Ruhe. Jetzt bloß nichts anmerken lassen. »Nicht mehr weit«, antwortete Harry. »Vielleicht noch zwanzig Minuten oder eine halbe Stunde.«
Der Fremde wandte ihm den Kopf zu, sah ihn eindringlich an. »Was ist mit dir?«
»Ich habe Angst«, gab Harry zu und spürte, wie ihm schon wieder der Schweiß ausbrach. Der Typ schien misstrauisch geworden zu sein.
»Angst wovor?«
»Zu sterben«, sagte Harry mit heiserer Stimme und wurde ob dieser herablassenden Frage so wütend, dass er dem anderen am liebsten in seine hässliche Fratze gespuckt hätte.
»Der Tod ist nicht das Ende. Nur ein weiterer Anfang.«
Nun wurde dieser
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